Rechtsextremisten unter Fußballfans: Zahl-Tag in Chemnitz
Tausende Fans des Chemnitzer FC recken am Sonntag Kartons mit der Zahl 11 in die Höhe – als Signal der Solidarität mit Rechtsextremen.
Ein Bollwerk gegen den Rechtsextremismus will man beim Chemnitzer FC sein. Dazu hat man sich nach den Ereignissen im Sommer 2018, als die ostdeutsche Stadt wegen Hetzjagden auf Ausländer zum bundesweiten Gesprächsthema wurde, im Gesellschaftervertrag des Vereins verpflichtet. Das Wissen, dass die Fangruppierung „Kaotic Chemnitz“ damals den rechten Aufmarsch in der Stadt initiiert hatte, der den Verfolgungsjagden vorausging, mag das Verantwortungsgefühl im Verein gestärkt haben.
Diese Ziffernwand auf der Südtribüne am Sonntag sah indes eher wie ein Bollwerk des Rechtsextremismus aus. Zumal das Zahlengebilde bei der Verlesung der Mannschaftsaufstellung bei jedem einzelnen Namen mit Sprechchören „Daniel Frahn Fußballgott“ akustisch eindrücklich untermalt wurde. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Man muss beim Chemnitzer FC genauer hinschauen, auch wenn das Bild dadurch keineswegs schöner wird.
Denn Daniel Frahn ist auch deshalb zum gefeierten Märtyrer in Chemnitz geworden, weil die Vereinsführung so verhasst ist. Geführt wird der Klub nämlich seit April 2018 vom Düsseldorfer Insolvenzverwalter Klaus Siemon. Ein Westdeutscher, der für die Sanierung des klammen Vereins das Alleinbestimmungsrecht geltend macht und auf die ansonsten verankerten Mitbestimmungsrechte von Vereinsmitgliedern pfeift. Er führt die ausgegliederte Profiabteilung, die Chemnitzer FC Fußball GmbH, sein Gegenspieler ist der gewählte Präsident Andreas Georgi, der mit anderen im Notvorstand sitzt. Georgi selbst hat sich schon explizit für den Kampf gegen Rechtsextremismus im Verein bekannt, zum Fall Frahn allerdings hat er sich bislang nicht geäußert – auch nicht auf schriftliche Nachfrage der taz am Montag.
Fließende Übergänge: Fans, Ultras und NS-Boys
Gefährliche Allianzen bilden sich da derzeit in Chemnitz, die durchaus eine gewisse Tradition haben. Dem Aufruf zum Fanmarsch vor dem Pokalspiel am Sonntag, einem Protestzug gegen die Vereinspolitik von Siemon, hatte die Gruppierung „Ultras Chemnitz 99“ gepostet. Eine Vereinigung, aus der 2004 die rechtsextreme Jugendorganisation „NS-Boys“ entstand, von der man sich zwei Jahre später zwar distanzierte, aber weitere zwei Jahre doch eine Linkverbindung im Internet stehen ließ. Teilnehmer dieses Marsches haben nicht nur unseren Redakteur bedroht, sondern auch nach Beobachtung des Bündnis Chemnitz Nazifrei den Hitlergruß gezeigt.
Viele treibt weder dies noch die Nähe von Frahn zur rechtsextremen Fanszene um. Am Montag wurde ein offener Brief publik, den ehemalige Spieler und Trainer des Chemnitzer FC an Siemon verfasst haben. Sie schrieben von einer „Eskalation der letzten Tage“, die ihnen Sorge bereite. Gemeint war nicht das Verhalten von Frahn, sondern die Sorge um den „Fortbestand des Vereins“.
Insolvenzverwalter Klaus Siemon hat vor einigen Tagen die sogenannte Masseunzulänglichkeit für den Verein beim Amtsgericht Chemnitz angezeigt. Die vorhandenen Mittel, hieß es, würden nicht mehr ausreichen, um sämtliche Kosten und Verbindlichkeiten des Vereins zu decken. Der Deutsche Fußball-Bund ließ wissen, mit der Auflösung der Rechtsfähigkeit des Muttervereins verliere auch die Profiabteilung ihre Zulassung für die kommende Spielzeit.
Ehrung für den rechten Hollogan
In dieser zugespitzten Lage scheint die Opposition gegen Siemon auch anschlussfähig für Rechtsextremisten zu sein. Denn Frahn stand nicht lediglich ein Mal neben den falschen Leuten, wie es seine Fürsprecher gerade glauben machen wollen. Im März, als die Fans des Chemnitzer FC schon einmal ein finsteres Bild eines rechtsextremistischen Bollwerks kreierten, gehörte der 32-Jährige zu den Protagonisten. Damals gedachten die Fans mit Unterstützung von Klubmitarbeitern des verstorbenen und bundesweit bekannten Rechtsextremisten und Hooligan Thomas Haller. Und Frahn präsentierte beim Torjubel zu Ehren von Haller ein T-Shirt mit der Aufschrift „Support your local hool“. Angeblich ohne zu wissen, dass dieser Stoff in der rechtsextremistischen Szene populär sei.
Frahn selbst hat, wie Geschäftsführer Thomas Sobotzik durchblicken ließ, beim Abschlussgespräch auf der Geschäftsstelle seine Nähe zu seinen rechten Freunden gar nicht erst abgestritten, sondern zur Privatsache erklärt. Und viele seiner Fans folgen ihm in dieser Ansicht. Diese Treue zu Frahn liegt natürlich auch darin begründet, dass ohne die 24 Tore des Stürmers vergangene Saison der Aufstieg in die Dritte Liga wohl kaum gelungen wäre.
Sobotzik, der als Gehilfe von Siemon wahrgenommen wird, sieht sich nun massiven Anfeindungen ausgesetzt. Er staunte letzte Woche, wie viele Menschen plötzlich seine Telefonnummer hatten und ihm via WhatsApp Drohungen zukommen ließen. Als Frahn in Halle im Gästeblock stand, wurde Klaus Siemon von den CFC-Anhängern auf einem Plakat im Fadenkreuz gezeigt. Es scheint kaum noch Eskalationsgrenzen in Chemnitz zu geben.
Zu den Solidaritätsbekundungen mit Frahn im Chemnitzer Stadion sowie den massiven Drohungen gegenüber dem taz-Redakteur erklärte Steffen Wunderlich, der Pressesprecher des Vereins, am Montag: „Der konkrete Fall und der Spieltag beweisen aber, dass wir weiterhin viel Arbeit vor uns haben. Der Chemnitzer FC ruht sich nicht aus und wird den Kampf gegen Gewalt, Intoleranz und insbesondere gegen politisch motivierte Taten weiter forciert angehen.“
Solange sich die Opposition im Verein zum Insolvenzverwalter Siemon sich nicht ebenso konsequent von Rechtsextremisten distanziert, könnte das eine Sisyphus-Arbeit werden. Nächsten Montag, am 19. August, wäre Gelegenheit dazu. Dann findet nämlich eine Mitgliederversammlung des Chemnitzer FC statt, die der Insolvenzverwalter Klaus Siemon verhindern wollte. Es wäre ein guter Zeitpunkt, um sich wenigstens im Kampf gegen Rechtsextremismus vereint zu zeigen und auf solch finstere Koalitionspartner zu verzichten. Wie dringlich dieses klare Bekenntnis ist, zeigen nicht erst die Vorfälle von diesem Sonntag.
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