Rechtsextremismus: Senatoren loben sich selbst
Bei einem Jugendkongress wollen die Schüler von den Politikern konkrete Antworten zum Umgang mit Rechtsextremen. Das fällt den Senatoren schwer, sie klopfen sich lieber selbst auf die Schulter.
Schülerinnen und Schüler füllten die Reihen des Abgeordnetenhauses. Rund 200 geladene Schülersprecher, Vertreterinnen von Schülerzeitungen und politische Jungaktivisten kamen am Mittwoch, um mit drei Senatoren über den Umgang mit Rechtsextremen zu diskutieren. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) schickte seinen Staatssekretär Hans-Gerhard Husung, Innensenator Ehrhart Körting (SPD) forderte Zivilcourage, Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) befand, die habe man schon. Die Politik war von dem sogenannten Meinungsaustausch begeistert. Ein Schüler resümierte dagegen: "Eine Stunde Gelaber."
Das Politikergespräch war als Höhepunkt des eintägigen Jugendkongresses gegen Rechtsextremismus im Abgeordnetenhaus geplant, bei dem Jugendliche in sechs Workshops Strategien gegen rechts diskutierten (siehe unten). Folker Schweizer vom Berliner Verfassungsschutz nannte den drastischen Anstieg rassistischer Gewalttaten als Anlass der ressortübergreifenden Veranstaltung des Senats. Im Vergleich zu 2005 habe sich 2006 die Zahl tätlicher Übergriffe von Rechtsextremen von 52 auf 110 verdoppelt. Das Übel müsse an der Wurzel bekämpft werden, bei der Jugend, in der Schule.
Deshalb sollte in der Gesprächsstunde den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit gegeben werden, Fragen an die politischen Entscheider zu äußern. "Warum wird nur über gewalttätige Rechtsradikale, aber nicht die versteckten Rechten in der Gesellschaft geredet?", fragte einer. Ein anderer wollte wissen, weshalb Politiker "viele tausend Euro in den Wachschutz an Berliner Schulen stecken anstatt in Pädagogen". Eine junge Frau kritisierte, ihre Lehrerinnen und Lehrer seien ebenso hilflos wie sie selbst, wenn es um die Frage gehe, wie den oft geschickt vorgetragenen Argumenten von Rechten zu begegnen sei.
Staatssekretär Husung entgegnete, es handle sich nur um ein "gefühltes Defizit in der Behandlung des Themas in den Klassenräumen". Die Lehrkräfte würden darin weitergebildet, rechtsradikale Musiktexte vor der Klasse zu analysieren; die Lehrerbildung in den Hochschulen werde gerade reformiert.
Innensenator Körting wehrte sich gegen Kritik von Schülerseite, sein Engagement gegen rechte Gewalt sei unglaubwürdig, wenn die Polizei massiv gegen linke Gegendemonstranten von Neonazi-Aufmärschen vorgehe. In einem Grundsatzreferat über Versammlungsfreiheit und Gewaltverbot hob Körting hervor, man dürfe sich im Kampf gegen Rechtsextreme nicht derselben Mittel bedienen.
Knake-Werner zeigte sich begeistert von einer Aktion, bei der Schüler CDs und Werbematerial eines NPD-Mannes vor der Schule sammelten und demonstrativ in einem Müllbeutel versenkten. Ein Schüler bemerkte dazu anschließend, eine Diskussion ohne Politiker hätte wohl zu tiefgreifenderen Antworten auf die alltäglichen Probleme mit Nazis geführt: "Es ist wie ein Baum, dem man die Äste abschneidet und sich jedes Mal wundert, dass etwas nachwächst."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!