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RechtsextremismusPädagogen fühlen sich schlecht vorbereitet

■ „Rechtsextremismus ist kein Jugendproblem“, meint Prof. Möller

„Viele KollegInnen empfinden sich als schlecht vorbereitet, es fehlt an politischem (historischem) Wissen wie auch an Kompetenzen zur Führung eines politischen Diskurses mit Jugendlichen“, heißt es in der Einladung zu einer Tagung von JugendarbeiterInnen und SozialpädagogInnen. Alle Jahre wieder treffen sich die, die in der Arbeit mit rechtsextremen Jugendszenen engagiert sind, aus der gesamten Bundesrepublik zu einem praktischen und wissenschaftlich-theoretischen Erfahrungsaustausch.

Ziel der zehnten Veranstaltung dieser Art in Bremen ist es wie auch in den Jahren zuvor, sich permanent über neue Strukturen und veränderte Organisationsformen der rechtsextremen Szene auszutauschen, um die Jugendarbeit adäquat darauf ausrichten zu können. „Pädagogische und politische Strategien gegen Rechtsextremismus und Gewalt“ war so auch diesmal das Thema der dreitägigen Tagung im Lidice-Haus in Bremen-St. Magnus.

Vor allem ging es den 43 Teilnehmern diesmal darum, die Sozialraum-Perspektive zu erörtern, d.h. die sozialen und politischen Hintergründe rechtsextremer Cliquenbildung. Um „Einstiege zu verhindern und Ausstiege zu befördern“, so Prof. Dr. Kurt Möller von der Hochschule Esslingen, reiche es nicht, nur die Lebensbedingungen der Jugendlichen zu verändern, zum Beispiel. die Arbeitslosigkeit überwinden helfen. Sozialpädagogische Präventionsarbeit sei ein langfristiger begleitender Prozess, der rechtsextremen Jugendlichen dabei hilft, neue Beziehungsmuster im Bereich Familie und Freundschaft, aufzubauen.

Die Jugendlichen entwickeln ihre fremdenfeindlichen und nationalistischen Einstellungen nicht selber, sondern bringen diese aus dem Alltagsdiskurs mit. Bereits in der Familie, Schule oder im Freizeitbereich sind diese Einstellungen vorhanden. „Rechtsextremismus ist kein Jugendproblem“, meint Kurt Möller. Stattdessen seien tiefgehende Strukturveränderungen notwendig. Zu diesem Zweck sei eine Vernetzung der Jugendarbeit mit anderen sozialen Trägern notwendig, z.B. mit der Erwachsenenbildung. Eine konkrete Auseinandersetzung mit Sozialisationsformen männlicher Jugendlicher sei erforderlich, denn die große Mehrzahl junger Neonazis sind männlich. Oft hilft es verunsicherten Jugendlichen, wenn einfach ein Erwachsener da ist und zuhört, denn vielen für rechtsextreme Parolen anfälligen Jugendlichen fehlt schlicht Anerkennung und jemand, der sie ernst nimmt.

Häufig sind Jugendarbeiter hilflos, wenn sie mit rechtsextremen Phrasen oder Denkmustern konfrontiert werden. Zu diesem Zweck wurde auf der Tagung ein Argumentations-Training gegen rechte Parolen veranstaltet.

Nina Gessner

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