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Rechtsextremismus in der Armee„Die Generalität ist ohne Ehre!“

Der Wehrbeauftragte dokumentiert in seinem Jahresbericht rechte Vorfälle in der Bundeswehr. Die Linkspartei bemängelt eine Lücke.

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels stellte seinen Jahresbericht am Dienstag in Berlin vor Foto: dpa

Berlin taz | Es gibt in der Bundeswehr einen Unteroffiziersanwärter, der in einem Lehrgang vor versammelter Mannschaft loslederte: Schwarze Menschen möge er allgemein nicht. Sprechen würde er mit denen auch nicht. Und wo er gerne leben würde, wenn nicht in Deutschland? In Argentinien. Da gebe es immerhin noch Nazis.

Eine „empfindliche Disziplinarmaßnahme“ habe der Soldat für die Sprüche erhalten. Aus der Bundeswehr entlassen wurde er aber nicht.

So steht es im neuen Jahresbericht von Hans-Peter Bartels, dem Wehrbeauftragten des Bundestags. Am Dienstag stellte der SPD-Politiker seinen Bericht vor. Darin thematisiert er neben Ausrüstungsmängeln, fehlendem Personal und Einsatzproblemen auf einigen Seiten auch rechtsextreme, rassistische und sexistische Vorfälle.

Die Zahl der gemeldeten rechtsextremen Ereignisse ist demnach gegenüber dem Vorjahr noch mal leicht gestiegen. 2016 lag der Wert noch bei 63, 2017 bei 167 und 2018 schließlich bei 170. Bartels führt den Anstieg vor allem auf eine „verstärkte Sensibilisierung durch die öffentlich diskutierten Vorfälle“ zurück. SoldatInnen würden rechte Ereignisse inzwischen also schneller melden.

Zitate aus „Der Untergang“

Mehrere Beispiele führt der Wehrbeauftragte in seinem Bericht auf. So sollen zehn Offiziere in WhatsApp-Gruppen rechte Sprüche ausgetauscht haben, darunter Hitler-Zitate aus dem Film „Der Untergang“ („Die Generalität ist das Geschmeiß des Deutschen Volkes! Sie ist ohne Ehre!“). In diesem Fall laufen strafrechtliche und disziplinarische Ermittlungen, Bartels fordert Entlassungen.

Weitere Fälle aus seinem Bericht: Ein Hauptgefreiter brüllt „Scheiß Kanacken!“ und „Man müsste hier alle vergasen“. Ein Oberfeldwebel bekundet, dass er Zigaretten nur von „Reinrassigen“ nehme und dagegen sei, dass sich „Rassen“ vermischten. Und ein Unteroffizier beschwert sich über einen russischstämmigen Soldaten: Auf so was habe man früher geschossen.

Gestiegen sind neben der Zahl der rechtsextremen Vorfälle auch die Verdachtsfälle auf Sexualstraftaten – und zwar von 235 auf 288. Bartels führt auch diesen Anstieg darauf zurück, dass SoldatInnen heute stärker sensibilisiert seien, unter anderem wegen der MeToo-Debatte.

„Umstände“ berücksichtigt

Als Beispiel führt er einen Soldaten an, der einer Kameradin bei einer Feier an den Po gefasst habe, als diese in „figurbetonter Kleidung“ an einer Pole-Dance-Stange hing. Der zuständige Vorgesetzte habe „nach intensiver Prüfung entschieden, die Umstände zu berücksichtigen“ und den Soldaten nur ermahnt.

Im Bericht nicht explizit erwähnt sind Vorfälle rechtsextremer Prepper, die nach taz-Recherchen im Umfeld der Bundeswehr offenbar ein Untergrundnetzwerk gebildet haben. „Ob es rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr gibt, kann der Wehrbeauftragtenbericht nicht klären“, sagte Bartels. Zuständig seien der Militärische Abschirmdienst und der Verteidigungsausschuss des Bundestags, der sich am Mittwoch mit dem Thema beschäftigen wird.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz kritisierte die Lücke im Bericht. „Die Gruppierung um den ehemaligen KSK-Soldaten André S. alias ‚Hannibal‘ wird nicht genannt. Es ist enttäuschend, dass sich Herr Bartels an dem Herunterspielen des Problems rechtsextremistischer Umtriebe in der Bundeswehr beteiligt“, sagte sie.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte der taz dagegen, es sei zu begrüßen, dass Bartels das Problem Rechtsextremismus immerhin benannt habe: „Er sagt explizit, dass man etwas unternehmen müsse, wenn man merkt, dass jemand eine verfassungsfeindliche Gesinnung hat.“

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6 Kommentare

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  • Eine Wiederbewaffnung Deutschlands nach Hitler hätte mit allen Mitteln verhindert werden müssen!

    Mit der AfD steuert dieses Land direkt in die nächste und vlt. letzte große Katastrophe zu.

    • @amigo:

      Nun. Wir bleiben gespannt und werden berichten!;)

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @amigo:

      Die Deutschen würden ihre Großmutter für Frieden verkaufen, es gibt in Deutschland in der Bevölkerung keine Mehrheit im NATO Bündnisfall Osteuropa zu verteidigen. Die AFD propagiert ja einen Abzug aus allen Militäreinsätzen, die wollen die Armee in eine rechte Kaderschmiede umbauen aber Kriege führen, gegen wen wozu? BMW, Bayer und Konsorten bringen mehr Wohlstand für die Elite nach Deutschland als man mit Panzerdivisionen je erbeuten könnte. Wenn es nochmal zu einem großen Krieg kommt wird keines der global gesehen marginalen europäischen Länder ihn verursachen, China, Indien oder USA, wenn dann. Also keine Sorge.

  • Das erscheckende und bezeichnende an den Nazi-Umtrieben ist, dass es sich bei den geschilderten Vorfällen vor allen Offiziere und Unteroffiziere handelt - also Kommandobefugte!. Das sind die Leute, die die Soldaten anleiten und Vorbild sein sollen - wo das endet, zeigte sich in den Freikorps 1919 und den Wehrmachtsverbrechen 39-45. Das Leitbild der Bundeswehr als Bürger in Uniforms samt innerer Führung ist in der Berufsarmee zum rechtsorientierten Landsknechtstum verkommen. Und die Standesorganisationen wie die ministerin bagatellisieren..... Man Bedenke: Die bundeswehr soll unsere Verfassung und die Grundrechte Verteidigen!

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Woher kommt diese Verwunderung? Die Bundeswehr ist quasi ein 1:1-Ausschnitt aus unserer Gesellschaft. Mit Licht und Schatten. Wenn unser lieber Staat - oder wir BürgerInnen - eine politisch „saubere“ Armee haben möchten, dann muss deutlich mehr in politische Bildung investiert werden. Bereits ab der Grundschule übrigens. Auch die Kleinen verstehen sehr gut, was z. B. ein faier Umgang miteinander ist. Machen wir nicht, ist uns zu teuer! Das gilt im Übrigen auch für die Polizei.



    Und das der Bericht des Wehrbeauftragten immer nur in Auszügen medial kommuniziert wird zeigt, wie wir informativ beeinflußt werden. Auch durch die Öffentlich-Rechtlichen.

  • Im heute journal wird der Bericht des Wehrbeauftragten ausschließlich auf das Thema Ausrüstung verkürzt, so dass der Eindruck entstehen musste, dass das einzige Problem der BW zu wenig Waffen und Ausrüstung wären. Dazu noch ein Interview mit einem Olivgrünen, der natürlich auch mehr Ausrüstung anmahnte. Das sind also die Nachrichten eines ÖR Senders.



    Die wesentlich wichtigere Punkt, die zunehmende Rechtsradikalisierung, wird ausdrücklich nicht angesprochen. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Rechtsradikale gerne wieder auf Russen schießen würden, wie es das Beispiel mit dem Unteroffizier deutlich macht.



    Frau v.d.L. scheint ohnehin nur am quantitativen Wachstum der BW interessiert zu sein, sie scheint sich wenig für den Zustand der Truppe zu interessieren, insbesondere wenn es um Nazis geht.