Rechtsextremismus in der AfD: Die Online-Rassisten
Niedersachsens AfD grenzt sich theoretisch von der rechtextremen Identitären Bewegung ab. Social Media-Fotos zeigen, dass die Praxis anders aussieht.
E in Bild, eine Botschaft – und ein Problem für die AfD. Simon Pocinosznow und Rabea Shahini zeigen im Internetdienst Instagram das Symbol für „white power“: Daumen und Zeigefinger zum O geformt, die weiteren zum W.
Shahini engagiert sich stark bei der AfD. Sie kandidierte erfolglos für den niedersächsischen Landtag. Jetzt ist die ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes Braunschweig offenbar Mitarbeiterin der AfD-Fraktion. Pocinosznow bewegt sich bei der rechtextremen Identitären Bewegung (IB).
Das Foto ist peinlich für die AfD, denn es offenbart die Nähe Shahinis zur rechtsextremen Szene – dabei ist die Partei gerade bemüht, sich davon zu distanzieren. Die Fraktion um den Vorsitzenden Stefan Marzischewski möchte nicht noch stärker in die Kritik geraten.
Seit der Diskussion um ein Treffen von AfD-Politikern, CDU-Mitglieder:innen und Unternehmer:innen mit dem Vordenker der Identitären Bewegung, Martin Sellner, muss sich die Partei erstmals in der breiten Öffentlichkeit rechtfertigen. Sellner propagierte bei dem vom Rechercheportal „Correctiv“ publik gemachten Treffen die „Remigration“ von Einwanderern.
Die Landtagsfraktion bestreitet die Anstellung Shahinis. Auf Nachfrage der taz erklärte die Pressereferentin Lydia Simal zwar, dass die Identitäre Bewegung auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD stehe, aber Frau Shahini nicht in der Fraktion arbeite. Ein aktueller Screenshot aus dem Landtag, der der taz vorliegt, legt diese Annahme jedoch nahe. Hier wird Shahini aufgelistet mit Telefonnummer, Raumangabe, Landtags-E-Mail-Adresse und dem Vermerk „AfD-Fraktion“.
Sie selbst gab im Mai 2023 bei Facebook an „Mitarbeiterin der AfD im Niedersächsischen Landtag“ zu sein. „Arbeitet bei der AfD“, schreibt sie bei einem weiteren sozialen Medium – dort gleich mit dem Hinweis, das sie früher mit Nachnamen Wölk hieß. Aus dem Landesparlament ist zu hören, das die Frau immer wieder Fotos von der AfD-Fraktion aufnehme – offensichtlich für die Auftritte in den sozialen Medien. Auf Facebook publizierte sie „ein paar schöne Schnappschüsse“ der Abgeordneten aus dem Plenum.
Auf dem Internetkanal Tiktok wirbt Shahini als „deutsches_maedel“ für die Partei. Mal sitzt sie dabei im Auto und erklärt: „Was gibt es besseres als eine deutsche Frau in deutscher Tracht in einem deutschen Auto mit deutschem Bier, die AfD-Mitglied ist.“ Mal steht sie in der Küche mit einem Nudelholz und schlägt auf die eingeblendete Parteilogos der demokratischen Parteien ein.
Shahini dokumentierte dort den Protest der Landwirte gegen die Streichung der Subventionen für Agrardiesel. Der Clip ist unterlegt mit dem Lied „Es ist Zeit zu rebellieren“. Im Jahr 2000 veröffentlichte Annett Müller erstmals diesen Song. Bis zu ihren Ausstieg 2016 war Müller ein Star in der rechtsextremen Musikszene. Die Auswahl dieses Liedes deutete ebenfalls auf weit zurückreichende Szenekontakte Shahinis hin.
„Einmal mehr zeigt sich, dass es in der AfD-Fraktion auf der inhaltlichen wie auch auf der Arbeitsebene enge Verbindungen ins gesichert rechtsextremistische Milieu gibt“, sagt Michael Lühmann. Und der Sprecher der grünen Landtagsfraktion für Innenpolitik ergänzt, dass bei der AfD alle Versuche der „Selbstverharmlosung regelmäßig an der Realität“ scheiterten.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, André Bock, kommentiert: „Es wäre nicht wirklich überraschend, dass nicht nur Abgeordnete der AfD Kontakte zur Identitären Bewegung oder anderen rechtsextremen Gruppierungen haben, sondern auch Mitarbeiter.“ Bock spielt auf Peer Lilienthal an. Der AfD-Abgeordnete soll enge Beziehungen zu einem weiblichen Mitglied der Identitären Bewegung haben. 2018 war diese Mitarbeiterin der Fraktion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken