Rechtsextremismus-Razzia in Berlin: Neuköllner Neonazi im Visier
Ein geplanter Prozess gegen Maurice P. wurde verschoben. Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.
Die Razzia war Teil einer Großermittlung gegen die Szene, bei der 800 Polizist:innen bundesweit 61 Wohnungen von 50 beschuldigten Neonazis durchsuchten. Vier Verdächtige wurden festgenommen, darunter der Eisenacher Leon R., dem der versuchte Aufbau der „Atomwaffen Division“ in Deutschland zur Last gelegt wird.
Der 29-jährige Berliner P. sollte sich am Mittwoch eigentlich vor dem Amtsgericht Tiergarten unter anderem wegen eines Messerangriffs auf einen Deutschjamaikaner verantworten. Vorgeworfen wird P., am 4. Juli 2021 vor einer Diskothek in Rudow den Mann rassistisch beleidigt und danach mit einem Messer am Hals verletzt zu haben. Für eine von der Staatsanwaltschaft zunächst geplante Anklage wegen versuchten Mordes fehlten die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen.
Zu dem nun erhobenen Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung kommen weitere hinzu, etwa wegen des öffentlichen Zeigens des Hitlergrußes und eines Hakenkreuz-T-Shirts sowie einem körperlichen Angriff auf Linke. Die sechs angesetzten Verhandlungstermine wurden aufgehoben; das Gericht nannte dafür nicht die Razzia, sondern „organisatorische Gründe“.
Verbindungen zum Neukölln-Komplex
Laut dem innenpolitischen Sprecher der Linken, Niklas Schrader, gehört P. „zum engeren Umkreis“ der Hauptbeschuldigten der rechtsextremen Neuköllner Terrorserie. Er habe mit Sebastian T. und Tilo P. in Kontakt gestanden und gemeinsam Veranstaltungen besucht, so Schrader. Im Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex, dessen Einsetzung am Donnerstag mit der ersten Lesung im Abgeordnetenhauses eingeleitet wird, soll das Netzwerk um die Hauptverdächtigen aufgeklärt werden.
Laut einem Gastbeitrag der Antifa-Initiative „Neukölln Watch“ im Antifaschistischen Infoblatt ist Maurice P. erstmals bei der Rudolf-Heß-Demonstration 2018 in Erscheinung getreten. Danach soll er sich an der „Schutzzonen“-Kampagne der NPD beteiligt haben, einer auf inszenierte Bilder angelegte Bürgerwehrkampagne. Einem Artikel der Morgenpost zufolge gilt P. bei Sicherheitsbehörden als Führungsfigur der militanten Neonazi-Szene und Teil des Umfeldes der verbotenen Neonazi-Organisation „Combat 18“. Zudem sei er als einer von bundesweit 75 rechtsextremen Gefährdern eingestuft. Neukölln Watch hatte dagegen Zweifel formuliert, dass P. zur „Führungsfigur taugt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?