piwik no script img

Rechtsextremes Treffen in HannoverWo Reichsbürger ins Theater gehen

Im Leibniz-Theater treffen sich Anhänger der Reichsideologie. Tonaufnahmen legen nahe, dass der Besitzer solchen Positionen nahesteht.

Gehen auch mal ins Theater: Reichsbürger auf einer Demo Foto: Christophe Gateau/dpa

A uf der Website des Leibniz-Theater in Hannover finden sich einige Events. Bis zum März kommenden Jahres listet das Theater Veranstaltungen auf. Mit einem Klick kann ein Besuch in der Kommandanturstraße gebucht werden.

Das Theater von Joachim Hieke hat aber Probleme. „Nahezu alle Künstler“ hätten sich von ihm „entfernt“ oder sich „auf Druck vom Medien und Politik“ von ihm „distanzieren müssen“, schreibt Hieke der taz. Nicht ohne zuerst zu betonen, dass ein „Bericht der taz eine Riesen-Hetzkampagne“ gegen den Leiter des Theaters ausgelöst habe. Eine der „schönsten und herzlichsten Kulturstätten“ der Landeshauptstadt sei in Verruf gebracht und zerstört worden.

Der taz-Text ist schon vor einiger Zeit erschienen. Am 18. Dezember vergangenen Jahres kamen in dem privaten Theater rund 30 Männer und Frauen zusammen, um einen Vortrag von Erhard Golla aus Solingen zum Thema „Der rechtliche Weg in die Verfassung 1871“ zu hören.

Die Thematik deutet die Ausrichtung an: An jenem Samstagsnachmittag waren Reichs­ideologiebewegte gekommen. Im Hinterzimmer warb Golla für die deutsch-russische Freundschaft – es ginge um mehr als nur das Deutsche Reich. Kolleg*innen, die an dem Tag vor dem Theater filmen, störten da nur. Teilnehmende stürmten aus dem Eckgebäude, schimpften und es kam zu Handgreiflichkeiten. Fragen waren nicht möglich.

Fünf Tage zuvor fand ein ähnliches Treffen in dem Theater statt. Der Anlass für die Runde am 13. Dezember: die bundesweite Razzia gegen mehr als 50 Aktive der „Patriotischen Union“, auch „Neue Deutsche Armee“ genannt. Das Netzwerk um Immobilienhändler Heinrich XIII. Prinz Reuß und die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann planten am „Tag X“ einen Staatsstreich.

Eine der schönsten und herzlichsten Kulturstätten der Landeshauptstadt sei in Verruf gebracht und zerstört worden

Der Generalbundesanwalt hält den Mitgliedern vor, eine „terroristische Vereinigung“ gegründet zu haben, um in den Bundestag zu stürmen und Man­dats­trä­ge­r*in­nen festzusetzen. Diese gewaltsame Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats sollten Angehörige des „militärisches Armes“ auch „auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen“ durchführen. „Der Vereinigung ist zwar bewusst, dass es dabei auch zu Toten“ kommen würde, sie würden dies als „Zwischenschritt“ jedoch „zumindest billigend in Kauf“ nehmen, so der Generalbundesanwalt.

Die Ermittelnden stellten bei unzähligen Razzien 93 illegale Waffen sowie Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro sicher. Einer der Durchsuchten wurde im Theater mit Applaus begrüßt: Matthes Haug, der der Gruppe um Prinz Reuß angehören soll. Im Theater berichtete er von Treffen mit Reuß.

Weitere Tonaufnahmen legen die Nähe von Hieke zu reichsideologischen Positionen nahe. In seinem Schreiben geht Hieke am 2. Januar auf konkrete Nachfragen der taz vom 18. Dezember aber nicht ein. Auf einen der Autoren bezogen, führt er allerdings aus: „Aufgrund Ihres Artikels und Ihrer Fragen sehe ich, dass Sie von dem, was Sie schreiben, entweder überhaupt keine Ahnung haben, wovon ich ausgehe, oder Sie haben die Kenntnisse und betreiben absichtlichen Rufmord und Verleumdung.“

Hieke führt weiter aus, dass „Sie oder Ihre Kollegen ja nachweislich mit aus meiner Sicht kriminellen Methoden“ arbeiten würden. Ohne Beweise sei eine der „schönsten Oasen der Kultur“ zerstört worden. Und er betont: „Solch ein Karma möchte ich nicht auf mir tragen.“

Der taz hält er aber vor, dass die Bitte um eine Stellungnahme zu kurz gewesen sein. Bereits im August 2022 waren Reichsbewegte in dem Theater zusammengekommen. Der Bitte um eine Stellungnahme kam Hieke bis heute nicht nach.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!