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Rechtsextreme bei den Quer­den­ke­r:in­nen„Das System muss weg“

Im niedersächsischen Rotenburg an der Wümme demonstrieren jeden Montag Quer­den­ke­r:in­nen. Mit dabei ist die „Nationale Bewegung in Deutschland“.

Marschieren jeden Montag durch Rotenburg an der Wümme: selbsternannte „Freiheitsboten“ Foto: Andrea Röpke

Rotenburg an der Wümme taz | Jeden Montag flanieren sie auf dem Gehweg der Hauptstraße in Rotenburg an der Wümme. Aber gewöhnliche Spa­zier­gän­ge­r:in­nen sind es nicht, die da durch die niedersächsische Kreisstadt laufen. Die meisten sind Impfgegner:innen, stehen staatlichen Maßnahmen gegen die Coronapandemie kritisch gegenüber.

Seit Anfang April kommen die selbsternannten Querdenkenden zu ihrem bunten Protestzug zusammen. Sie kommen aus Rotenburg, aber auch aus Soltau, Verden oder Sottrum. Wort­füh­re­r:in­nen der selbsternannten „Freiheitsboten“ sind eine Erzieherin und eine Friseurin. Sie begrüßen sich herzlich wie langjährige, innige Freunde und singen gemeinsam ein Ständchen für ein Geburtstagskind. Es wird viel gelacht. Sie fordern: „Das System muss weg.“

In dem Aufzug, den Peter Flöter angemeldet hat, wird ein kleines Plakat hochgehalten, mit der Botschaft: „1933 willkommen zurück!!!“ Auf einem größeren Plakat steht: „Warum ist Deutschland eine Firma?“ Zwei Frauen halten diese Plakate hoch.

Die beiden Botschaften darauf sind Ausdruck der in der Bewegung der Querdenkenden und Coronaleugnenden längst von den meisten geteilten Überzeugung, die Bundesrepublik Deutschland sei eine faschistische Diktatur. Dahinter verbirgt sich eine Relativierung des Nationalsozialismus und die Verhöhnung seiner Opfer. Die Frage nach der „Firma“ stammt aus der Bewegung der Reichsideolog:innen, die behaupten, dass die Bundesrepublik bloß eine „BRD-GmbH“ sei. Der Staat und seine Gesetze hätten keine Rechtsgrundlage.

Reichsfahnen aus Kartons

Flöter, mit orangefarbener Leuchtweste, versichert auf Nachfrage: „Wir sind keine Rechten.“ Die Forderung auf einem der Plakate nach einem „System Wechsel Jetzt“ (sic!) meine „dieses ganze Parteiensystem, was in Deutschland herrscht“. Für Flöter steht fest: „Wir haben kein freies Land.“

Auf den sogenannten Sturm des Reichtages im Zuge der Querdenken-Demonstration am 29. August 2020 in Berlin angesprochen, reagiert der Anmelder des Rotenburger Montagsspaziergangs nervös. Damals wehten Reichsfahnen neben Fahnen in Regenbogenfarben. „Das ist doch eine Lüge gewesen!“, poltert er. „Ich habe gesehen, wie die Fahnen aus neuen Kartons herausgenommen worden sind und die zum Reichstag marschierten. Das waren keine Querdenker!“, ist er sich sicher.

Ganz ähnlich äußerte sich auch der Begründer von „Querdenken“, Michael Ballweg, in einem Interview mit dem Südwestrundfunk über die Reichsfahnen an jenem Tag. „Von vielen Teilnehmern haben wir gehört, dass diese Flaggen verteilt wurden und dass sie gar nicht wissen, wofür diese Flagge steht“, behauptete Ballweg am 1. September vergangenen Jahres.

„Das ist wenig glaubwürdig. Die rechte Szene provoziert und zieht sich auf Nachfrage zurück“, erklärt hingegen der Linken-Kreisvorsitzende Stefan Klingbeil, der sich im Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus Rotenburg“ engagiert.

Klingbeil meldet den Gegenprotest an, der die rechten Spa­zier­gän­ge­r:in­nen mit Transparenten und großem Polizeiaufgebot auf ihren Wegen durch die Stadt kritisch „begleitet“. „Die, die das Staatssystem abschaffen wollen, geben sich als Wölfe im Schafspelz“, sagt er. Die „Freiheitsboten“ kennen Klingbeil. Als Plakate des Linken-Kandidaten letzte Woche zerstört auf dem Bürgersteig lagen, trampelten zwei Spaziergänger genüsslich darauf herum – bevor sie sich wieder einreihten.

Peter Flöter selbst sagt, er sei zwar kürzlich zum Protestieren in Berlin gewesen, habe aber mit dem Querdenken-Netzwerk „nichts zu tun“. Er distanziert sich, weist jedoch zugleich darauf hin, dass Covid-19 nur eine Grippe-Erkrankung mit „neuem Namen“ sei. Eine organisatorische Nähe zur Querdenken-Bewegung weist Flöter zurück.

Eine orange-schwarz-gestreifte Schleife, das sogenannte Sankt-Georgs-Band, soll an den Drachentöter Georg erinnern und steht für Dienst und Tapferkeit

Auch mit der „Nationalen Bewegung in Deutschland“ (DEU-NOD) habe man nichts zu tun, sagt er. Im Telegram-Kanal des Rotenburger „Freiheitsboten“ aber wimmelt es von Bekenntnissen zur „Nationalen Bewegung“ und deren Ablegern wie die „Arminius Runde“ oder „Arminius Erben“ – Flöter will davon nichts wissen. Gegenüber der Rotenburger Kreiszeitung bestätigte der Rotenburger Polizeisprecher aber die politische Nähe und betonte: „Das hat eine deutliche Tendenz Richtung Reichsbürger.“

In dem Protesttross von rund 50 Männern und Frauen, die auch mit Kindern kommen, sind die speziellen Symboliken der DEU-NOD, einer in Russland gegründeten nationalistischen Organisation, schon länger aufgefallen. Eine Frau etwa, an deren Auto ein großer Aufkleber der Partei „die Basis“ klebt, trägt ein auffälliges Schild vor der Brust, an dem eine orange-schwarz-gestreifte Schleife hängt: das sogenannte Sankt-Georgs-Band. Das Symbol soll an den Drachentöter Georg erinnern und steht für „Dienst und Tapferkeit“.

Die „Nationale Bewegung“ setzt sich dafür ein, den Einfluss des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Europa zu vergrößern. Mittlerweile will sie laut Homepage in vielen bundesdeutschen Städten vertreten sein. Ihr Slogan: „Heimat, Freiheit, Putin“. Gegründet hat sie der rechtsnationalistische Duma-Abgeordnete Jewgeni Alexejewitsch Fjodorow. Ihre schwarz-orangen Fahnen fehlen mittlerweile bei keiner größeren Querdenken-Demonstration.

Für die DEU-NOD ist die Bundesrepublik wie für die Reichs­ideo­lo­g:in­nen ein Besatzungsstaat ohne „eigene Identität und Souveränität“, abhängig von den USA. Die Zeit berichtete 2015, dass die „Nationale Bewegung“ mit Spenden prorussische Soldaten im Donbass-Konflikt unterstütze. Sobald es in Deutschland gegen die „Politik aus Berlin“ geht, sind die Prot­ago­nis­t:in­nen der Gruppierung aus Moskau dabei, von Bauernprotesten bis zu Rockergangs. Auch Flöter, der all das angeblich ablehnt, postete eine Einladung zur Rotenburger Demo mit der bekannten gestreiften Schleife der DEU-NOD.

„Sie wollen als Protestler wahrgenommen werden, aber nicht als Rechtsextreme“, erklärt Stefan Klingbeil das Vorgehen und weist darauf hin, dass im Telegram-Kanal des „Freiheitsboten“ Verden und Rotenburg offener über die wahre Intention hinter den Demonstrationen gesprochen wird.

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