piwik no script img

Rechtsextreme auf Berliner SportplätzenGeduldete Neonazis

Seit Jahren trainieren Rechtsextreme in Pankow in einer bezirklichen Sportanlage. Die jeweiligen Stadt­rä­t:in­nen schauen ebenso lange einfach weg.

Neonazis auf dem Weg zum Training im Sportkomplex Rennbahnstraße Foto: Recherchenetzwerk Berlin

Berlin taz | Sie greifen bewaffnet und aus dem Hinterhalt An­ti­fa­schis­t:in­nen an, demonstrieren ihre vermeintliche Stärke bei Kampfsporttrainings in öffentlichen Parks und Sportanlagen und ködern zunehmend junge Leute für ihre „nationale Revolution“: Die militante Neonazi-Partei Der Dritte Weg fällt seit Monaten durch Angriffe und Drohgebärden auf. Und wie antifaschistische Recherchen zeigen, wird die Infrastruktur, um solche Übergriffe vorzubereiten, von einem Berliner Bezirk zur Verfügung gestellt.

In einer Kraftsporthalle auf dem Sportkomplex Rennbahnstraße im Pankower Ortsteil Weißensee treffen sich wöchentlich und zu festen Trainingszeiten Neonazis. Zuerst berichtete der Tagesspiegel darüber. Die Halle gehört dem Bezirksamt Pankow, während der Trainingszeiten hat der Sportverein TSC Preußen 97 das Hausrecht.

Auf Fotos, die der taz zur Verfügung gestellt wurden, sind bekannte Kader des Dritten Wegs zu sehen, die in der Trainingshalle offenbar routiniert ein und aus gehen. Die Sportanlage dürfte von hohem Nutzen für die Neonazis sein. Schließlich verfügt der Dritte Weg – soweit bekannt – über keine eigenen Trainingsstätten in Berlin.

Besonders häufig zu sehen ist Christian Schmidt, ein ehemaliger NPD-Kader, der heute beim Dritten Weg unterwegs ist. Zwei junge Frauen, die schon bei öffentlichen Kampfsporttrainings der Partei aufgefallen sind, haben die Trainingsstätte besucht. Ebenfalls mit von der Partie: Erik S., der führende Kopf der Nationalrevolutionären Jugend (NRJ), der Nachwuchsorganisation des Dritten Wegs.

Attacke auf An­ti­fa­schis­t:in­nen am Ostkreuz

Mitglieder der NRJ werden verdächtigt, hinter einem Angriff auf An­ti­fa­schis­t:in­nen am S-Bahnhof Ostkreuz zu stecken. Am ersten Juliwochenende griffen 15 bis 20 vermummte Neonazis mit Knüppeln, Schlagstöcken und Pfefferspray mehrere Personen an, die sich dort für die gemeinsame Anfahrt zur Demonstration „Nach den Rechten schauen“ im Marzahn-Hellersdorfer Ortsteil Kaulsdorf verabredet hatten.

Mehrere An­ti­fa­schis­t:in­nen wurden verletzt, zwei mussten mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Laut Au­gen­zeu­g:­in­nen und Polizei hatten die Neonazis Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. „Die Brutalität des Vorfalls ist erschreckend“, so die Berliner Register.

Zudem zeige sich, dass der Dritte Weg seine traditionellen Schwerpunktgebiete im Osten Berlins verlässt und weiter in Richtung Innenstadt vorrückt. Im Zusammenhang mit dem Überfall am Ostkreuz hat die Polizei Mitte Juli die Wohnungen mehrerer Neonazis durchsucht, darunter die von NRJ-Anführer Erik S.

Begründung fürs Nichtstun: Neonazis seien ja „unauffällig“

An der Rennbahnstraße trainieren also bekannte Kader genau jener Gruppierung ihre Körper, die seit Wochen für Gewalt auf Berlins Straßen sorgt. Im Bezirksamt Pankow sieht man darin offenbar kein allzu großes Problem: Der zuständige Sportstadtrat Jörn Pasternack (CDU) erklärte, dass die Teil­neh­me­r:in­nen des Neonazi-Trainings „unauffällig während des Sportbetriebes“ seien.

Auch der Polizei scheint das bezirklich geduldete Neonazi-Sparring keine Sorgen zu bereiten. „Von legalen Sportaktivitäten – auch von Kampfsporttrainings – auf öffentlich nutzbaren Sportanlagen gehen im Allgemeinen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus“, heißt es von der Pressestelle. Nach taz-Informationen finden die Trainings nach wie vor statt.

Im Sportkomplex Rennbahnstraße ist schon einmal ein Neonazi-Training aufgeflogen, ohne dass ernsthafte Konsequenzen daraus gezogen worden sind. 2022 tauchten auf Indymedia Fotos auf, die ein Boxtraining auf dem Fußballplatz desselben Sportkomplexes zeigen. Mit dabei: Neonazis, die bis heute an der Rennbahn trainieren, zum Beispiel Christian Schmidt, damals noch NPD. Auch Roy Grassmann, ein Reporter des rechtsextremen Senders AUF1 und Ex-NPDler, war sowohl damals wie heute bei den Trainings mit an Bord.

Und bereits 2022 unternahm das Bezirksamt Pankow, namentlich Pasternacks Vorgängerin Dominique Krössin (Linke): nichts. Selbst eine parlamentarische Anfrage ihrer eigenen Ge­nos­s:in­nen im Abgeordnetenhaus blieb folgenlos.

Verbindungen zu Identitären und zum AfD-Umfeld

Beim Training auf dem Fußballplatz vor zwei Jahren hatten die Neonazis offenbar auch Besuch von Kameraden. So boxten sie mit Mitgliedern der Identitären Bewegung. Zu sehen ist etwa Mario Müller, der auch an dem Treffen in der Potsdamer Villa Adlon teilgenommen haben soll.

Laut Correctiv hat Müller, heute „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ eines AfD-Bundestagsabgeordneten, in Potsdam damit geprahlt, Adressen von An­ti­fa­schis­t:in­nen an polnische Hooligans weitergegeben zu haben. Auch Phillip Zech, 2019 und 2020 im Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf, ist auf den Fotos zu sehen.

Auf dem aktuellen Bildmaterial, das der taz vorliegt, sind zwar keine Ak­ti­vi­st:in­nen der IB zu sehen. Doch zwischen der Weißenseer Neonazi-Kraftsportgruppe und dem Vorfeld der AfD bestehen weiterhin Kontakte: Bei einem Halbmarathon in Brandenburg im vergangenen Jahr hat Zech einem führenden Kader des Dritten Wegs, der am Lauf teilgenommen hat, mit einem High-Five im Vorbeilaufen begrüßt.

AUF1-Moderator Roy Grassmann trainiert wiederum nicht nur regelmäßig mit den Kadern des Dritten Wegs an der Rennbahnstraße, er war auch Besucher des „Weihnachtskonzerts“ der Jungen Alternative Brandenburg. Am 29. Dezember 2023 feierten Identitäre und Neonazis gemeinsam in der Gaststätte „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow, wie sich anhand von Fotos nachvollziehen lässt.

Unterwanderung des Breitensports

Laut einer Recherche des Antifaschistischen Monitors Berlin beginnen Neonazis des Dritten Wegs nun auch, den Breitensport zu unterwandern. An mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen sollen Neonazis aus dem Umfeld der Partei teilgenommen haben: dem „Berlin-Marsch“ im Oktober 2023 und dem „Schlossinsellauf“ im Juni 2023 im brandenburgischen Lübben.

Beim „Berlin-Marsch“ liefen mit Christian Schmidt und Leander Schultze dann auch zwei Mitglieder der Trainingsgruppe aus Weißensee mit. In Lübben traten die beiden laut der Antifa-Recherche sogar unter dem Teamnamen „Körper und Geist“ an. „Körper und Geist“ ist auch der Name der parteieigenen Arbeitsgruppe für Kampfsport und Straßenkampf.

Trotz der zunehmenden Aktivitäten der militanten Neonazis, scheint es an vielen Stellen kein Problembewusstsein zu geben. Auch im Sportkomplex an der Rennbahnstraße können die extremen Rechten mindestens seit Monaten ungestört trainieren – selbst wenn sie in Szenekleidung und mit Sporttaschen von bekannten Neonazi-Marken erscheinen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Leider wird der Artikel nicht konkret und beschränkt sich in Mutmaßungen. Wer von denen die dort trainieren hat ein Verbrechen begannen oder sollen die Menschen aufgrund ihrer politischen Einstellung von der Nutzung öffentlicher Sportstätten fern gehalten werden? Bei ersteren reichen in einem Rechtsstaat bloße Vermutungen nicht aus, bei dem zweiten Punkt ist der Stadtrat durch unsere Geschichte sensibilisiert, schließlich gilt das Setting eines Rechtsstaat auch für Neonazis.