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Rechtsextreme Chatgruppe in Berliner PolizeiDas übliche Programm

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Wieder kommt eine Chatgruppe ans Licht, in der Polizisten rechtsextreme Inhalte tauschen. Schon zum drittel Mal. Das wirft viele Fragen auf.

Bei der Berliner Polizei gibt es mal wieder Ärger wegen einer rechtsextremen Chatgruppe (Symbolfoto) Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

I nnerhalb der Berliner Polizei ist in dieser Woche wieder mal eine rechtsextreme Chatgruppe aufgeflogen. Es ist bereits die dritte extrem rechte Polizei-Chatgruppe, die innerhalb von anderthalb Jahren bekannt geworden ist. Das Programm war das Übliche: Volksverhetzung, verfassungsfeindliche Symbole, menschenverachtende und rechtsextreme Inhalte sollen in der Gruppe von zwölf Personen ausgetauscht worden sein.

Gegen fünf Po­li­zis­t*in­nen wird wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt. Am Mittwoch kamen bei den Verdächtigten die Kol­le­g*in­nen vorbei, um deren Wohnungen sowie zwei Dienstanschriften zu durchsuchen. Handys und weitere Beweismittel wurden beschlagnahmt.

Weil die Polizei offen­bar keine Lust darauf hat, braucht es externe Aufklärung

Der Fall zeigt besonders deutlich: Es braucht einen Untersuchungsausschuss, um Nazistrukturen in Sicherheitsbehörden aufzuklären. In diesem Fall kann man sogar eine direkte Linie ziehen von den militanten Neonazis der Neuköllner Anschlagsserie zur jetzt aufgeflogenen Chatgruppe in der Polizei. Denn Mitglied in dem Chat soll laut Polizeikreisen auch der Polizist Detlef M. sein.

Gegen M. wurde bereits zuvor wegen Geheimnisverrats ermittelt: Der Polizist ist AfD-Mitglied und war offenbar „Sicherheitsbeauftragter“ im Bezirksverband Neukölln. Er soll kurz nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz 2016 interne Polizeiinformationen in einem Telegram-Chat mit AfDle­r*in­nen geteilt haben. In dieser Gruppe war auch Tilo P., damaliges AfD-Mitglied und einer der Hauptverdächtigen der Neuköllner Anschlagsserie. Das während der Ermittlungen beschlagnahmte Telefon von P. hat dafür gesorgt, dass M. aufflog.

Strukturelles Problem in der Polizei

Die Neuköllner Anschlagsserie wurde immer wieder von fragwürdigen Ermittlungsumständen überschattet. Die Betroffenen sprechen offenbar nicht zu Unrecht von einem strukturellen Problem in der Polizei. Entsprechend lang fordern sie bereits Aufklärung und einen Untersuchungsausschuss. Es hieß stets, die Aufklärung werde mit “allerhöchster Priorität“ vorangetrieben.

Wie groß dann diese Priorität tatsächlich ist, zeigt auch der aktuelle Fall: Die Wohnung des Polizisten M. wurde bereits im April 2020 durchsucht. Dabei beschlagnahmte die Polizei auch sein Handy, auf dem sich die nun bekannt gewordene Chatgruppe befunden haben soll. Zwei Sonderermittlungsgruppen zum Neukölln-Komplex wollen dabei in der Zwischenzeit keine Hinweise auf rechte Chatgruppen oder Netzwerke in der Polizei gefunden haben. Das Handy des Polizisten, der nachweislich im Kontakt mit einem der Hauptverdächtigen der Anschlagsserie stand, haben sie dabei entweder ignoriert oder erst ein Jahr später ausgewertet – hohe Priorität geht anders.

Das Umfeld und die Beziehungen zwischen diesen Po­li­zis­t*in­nen und anderen fragwürdigen Vorgängen innerhalb der Sicherheitsbehörden müssen ausgeleuchtet werden. Weil die Polizei offenbar keine Lust darauf hat, braucht es externe Aufklärung: Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu Neonazi-Strukturen in Sicherheitsbehörden muss in der nächsten Legislaturperiode kommen.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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1 Kommentar

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  • Scheinbar ist die Polizei als ganzes ein



    Strukturelles Einzelfallproblem