Rechtsextreme Chatgruppe in Berliner Polizei: Das übliche Programm
Wieder kommt eine Chatgruppe ans Licht, in der Polizisten rechtsextreme Inhalte tauschen. Schon zum drittel Mal. Das wirft viele Fragen auf.

I nnerhalb der Berliner Polizei ist in dieser Woche wieder mal eine rechtsextreme Chatgruppe aufgeflogen. Es ist bereits die dritte extrem rechte Polizei-Chatgruppe, die innerhalb von anderthalb Jahren bekannt geworden ist. Das Programm war das Übliche: Volksverhetzung, verfassungsfeindliche Symbole, menschenverachtende und rechtsextreme Inhalte sollen in der Gruppe von zwölf Personen ausgetauscht worden sein.
Gegen fünf Polizist*innen wird wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt. Am Mittwoch kamen bei den Verdächtigten die Kolleg*innen vorbei, um deren Wohnungen sowie zwei Dienstanschriften zu durchsuchen. Handys und weitere Beweismittel wurden beschlagnahmt.
Der Fall zeigt besonders deutlich: Es braucht einen Untersuchungsausschuss, um Nazistrukturen in Sicherheitsbehörden aufzuklären. In diesem Fall kann man sogar eine direkte Linie ziehen von den militanten Neonazis der Neuköllner Anschlagsserie zur jetzt aufgeflogenen Chatgruppe in der Polizei. Denn Mitglied in dem Chat soll laut Polizeikreisen auch der Polizist Detlef M. sein.
Gegen M. wurde bereits zuvor wegen Geheimnisverrats ermittelt: Der Polizist ist AfD-Mitglied und war offenbar „Sicherheitsbeauftragter“ im Bezirksverband Neukölln. Er soll kurz nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz 2016 interne Polizeiinformationen in einem Telegram-Chat mit AfDler*innen geteilt haben. In dieser Gruppe war auch Tilo P., damaliges AfD-Mitglied und einer der Hauptverdächtigen der Neuköllner Anschlagsserie. Das während der Ermittlungen beschlagnahmte Telefon von P. hat dafür gesorgt, dass M. aufflog.
Strukturelles Problem in der Polizei
Die Neuköllner Anschlagsserie wurde immer wieder von fragwürdigen Ermittlungsumständen überschattet. Die Betroffenen sprechen offenbar nicht zu Unrecht von einem strukturellen Problem in der Polizei. Entsprechend lang fordern sie bereits Aufklärung und einen Untersuchungsausschuss. Es hieß stets, die Aufklärung werde mit “allerhöchster Priorität“ vorangetrieben.
Wie groß dann diese Priorität tatsächlich ist, zeigt auch der aktuelle Fall: Die Wohnung des Polizisten M. wurde bereits im April 2020 durchsucht. Dabei beschlagnahmte die Polizei auch sein Handy, auf dem sich die nun bekannt gewordene Chatgruppe befunden haben soll. Zwei Sonderermittlungsgruppen zum Neukölln-Komplex wollen dabei in der Zwischenzeit keine Hinweise auf rechte Chatgruppen oder Netzwerke in der Polizei gefunden haben. Das Handy des Polizisten, der nachweislich im Kontakt mit einem der Hauptverdächtigen der Anschlagsserie stand, haben sie dabei entweder ignoriert oder erst ein Jahr später ausgewertet – hohe Priorität geht anders.
Das Umfeld und die Beziehungen zwischen diesen Polizist*innen und anderen fragwürdigen Vorgängen innerhalb der Sicherheitsbehörden müssen ausgeleuchtet werden. Weil die Polizei offenbar keine Lust darauf hat, braucht es externe Aufklärung: Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu Neonazi-Strukturen in Sicherheitsbehörden muss in der nächsten Legislaturperiode kommen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren