Rechtsanwalt über verdeckte Ermittlungen: "Romeos sind verboten"
Nach dem Auffliegen eines britischen Spitzels: Bürgerrechtsanwalt Udo Kauß über den Einsatz von Sex, Liebe und Freundschaft bei verdeckten Ermittlungen.
![](https://taz.de/picture/281403/14/spionage_f.20110201-07.jpg)
taz: Herr Kauß, gerade wurde der Polizeispitzel Mark Kennedy enttarnt, er soll sich der linken Szene auch sexuell genähert haben. Dürfen verdeckte Ermittler, während sie spitzeln, Liebesbeziehungen und sexuelle Affären beginnen?
Udo Kauß: Nein. Wenn ein Polizist Liebesgefühle vorspielt, um seine Zielperson besser aushorchen zu können, kann diese existenziell verunsichert werden. Das verletzt den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit. BKA-Chef Jörg Ziercke hat recht, wenn er sagt, "das geht gar nicht."
Wo ist das geregelt?
Gesetzlich ist das zwar nicht ausdrücklich untersagt. Aber vermutlich nur, weil bisher niemand auf die Idee gekommen ist, dass Polizisten gezielt Affären anfangen könnten, um sich das Vertrauen bestimmter Personen zu erschleichen. Ich halte es aber für sinnvoll, dies in den Einsatzanordnungen für verdeckte Ermittler ausdrücklich festzuschreiben.
Was gilt, wenn sich der Ermittler an jemanden aus dem Umfeld der Zielperson ranmacht?
Das ist natürlich genauso schlimm und gar nicht so selten. Die persönliche Beziehung wird hier zum Teil der Tarnung, die neue Zugänge ermöglichen soll. Hier werden sogar offenkundig Unbeteiligte instrumentalisiert und in ihren Rechten verletzt.
64, Rechtsanwalt in Freiburg, vertritt regelmäßig Menschen, die von staatlicher Überwachung betroffen sind. Er ist außerdem Landesvorsitzender der Humanistischen Union.
Ist denn so ein Verhalten auch strafbar?
Nein. Das Vorspielen falscher Gefühle ist nicht strafbar. Auch nicht die auf einer Täuschung beruhende sexuelle Beziehung. Wenn aber ein verdeckter Ermittler solche unzulässigen Methoden intensiv einsetzt, kann der Vertrauensbruch die Betroffenen auf Dauer psychisch beeinträchtigen. Dann können sie Schadenersatz in beträchtlicher Höhe verlangen.
Bei der Spionage wurden schon immer Sex und vermeintliche Liebe eingesetzt, um Zielpersonen auszuhorchen …
Die Spionage im Ausland wird traditionell als ein Bereich gesehen, in dem Grundrechte nicht gelten - was ich aber für sehr zweifelhaft halte. Jedenfalls muss die Polizei im Inland die Grundrechte streng beachten. Methoden à la Mata Hari oder der Einsatz von Romeo-Agenten sind der Polizei verboten.
Wo ist die Grenze? Ist nur Sex und Liebe tabu?
Nein, auch Freundschaften, die so tief gehen, dass man sich alles, auch intimste eigene psychische Probleme erzählt, darf ein verdeckter Ermittler nicht knüpfen, um seine Szene besser ausforschen zu können.
Kann die Polizei überhaupt noch verdeckte Ermittler einsetzen?
Ja. Ein geschickter Ermittler kann sich auch umhören, ohne dabei das Innerste seiner Zielpersonen zu erforschen. Er soll schließlich Straftaten aufklären und nicht Psychodossiers erstellen.
Was ist, wenn sich ein Ermittler unabsichtlich verliebt?
Das ist vermutlich gar nicht so selten. Immerhin lebt der Ermittler rund um die Uhr in seiner Rolle und steht in engem Kontakt zu den Beobachtungspersonen.
Muss ein Ermittler sich outen, wenn er merkt, dass er sich im Einsatz verliebt?
Das halte ich nicht nur für moralisch geboten, sondern auch für eine rechtliche Pflicht. Wenn ein Einsatz aus dem Ruder läuft, muss er abgebrochen werden. Genauso wie ein verdeckter Ermittler keine Straftaten begehen darf, darf er mit den Zielpersonen und deren Umfeld auch keine Liebesbeziehungen führen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören