Rechts motivierte Tötungsdelikte: Regierung korrigiert Opferzahlen
Rechtsextreme haben seit 1990 mehr Menschen umgebracht als bisher angenommen. Die Regierung zählt nun 83 Tote – auch diese Zahl ist zu niedrig angesetzt.
Auf Grundlage der Liste des Tagesspiegels hat das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität mehrere Fälle in Berlin erneut untersucht – und sechs vermeintlich unpolitische Taten als rechte Gewalttaten identifiziert.
Trotz der Korrektur könnte die tatsächliche Zahl der Todesopfer noch deutlich höher liegen als bisher angenommen. In einer Langzeitrecherche hat der Tagesspiegel rechts motivierte Tötungsdelikte seit dem Jahr 2000 dokumentiert – und kommt zu dem Ergebnis, dass es seit 1990 mindestens 149 Tote gegeben haben soll.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung rechnet sogar mit noch mehr Opfern: „Wir gehen von mindestens 193 Toten seit 1990 aus“, so Anna Brausam, Sprecherin der Stiftung. „Bei der Aufarbeitung geht es darum, die tödliche Dimension rechter Gewalt darzustellen“, sagte Brausam der taz. „Die wird in den Zahlen der Bundesregierung so nicht gezeigt.“
Andere Bundesländer sollen nachziehen
Auch das Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam hat unpolitisch eingestufte Verbrechen erneut überprüft und neu bewertet. Die korrigierte Zahl aus Brandenburg ist ebenfalls bereits in der neuen Statistik der Bundesregierung aufgenommen.
Die thüringische Landesregierung hat ebenfalls Interesse bekundet, dem Beispiel Berlins und Brandenburgs zu folgen und plant eine wissenschaftliche Überprüfung der potenziell rechts motivierten Tötungsdelikte in dem Bundesland. In Sachsen-Anhalt hatte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) bereits 2012 eine Untersuchung von Fällen aus der Tagesspiegel-Liste veranlasst – allerdings ohne wissenschaftliche Begleitung.
„Unabhängige wissenschaftliche Überprüfungen, die nunmehr in Thüringen geplant und in Brandenburg und Berlin erfolgreich durchgeführt wurden, sind dringend auch in allen anderen Bundesländern notwendig“, fordert Franz Zobel, Vorstandsmitglied des Verbands der unabhängigen Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Es gehe auch darum, den Angehörigen die Verarbeitung der Verbrechen zu erleichtern, sagte Zobel der taz.
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