Rechte Influencer: Echte Kerle für Tiktok
Zwei Podcaster wettern gegen Wokeness, Verweichlichung und Ukraine-Hilfen. Anschlussfähig nach vielen Seiten sein – ein bewährtes Rezept.
J etzt werden sie seriös. Die faschistoiden Sprüche aus ihrer Anfangszeit haben sie etwas zurückgefahren: die über die Todesstrafe als hygienische Maßnahme gegen menschlichen Müll, über die sauberen Straßen im homogen völkischen Polen und die Rockefellers als Erfindern des Feminismus zwecks Zerstörung der bürgerlichen Familie. Mit derlei Krawall haben sich der Stuttgarter Anlageberater Philip Hopf und Kiarash Hossainpour, ein angeblich früh zu Geld gekommener „Finfluencer“ (ein Kofferwort für Finanz-Influencer, d. Red.), eine „Community“ aufgebaut. Die fabriziert aus dem wirren Weltbild der Podcaster („Hoss und Hopf“) massenhaft Hetz-Clips für Tiktok.
Jetzt sind sie milder geworden, aber immer noch ist für alle etwas dabei. Sylt: eher harmlose Jungens und Mädchen, während dunkle Vergewaltiger frei herumlaufen. Steuern: Raub am kleinen Mann. Die deutsche Frau: gebiert zu wenig. Davos: die Zentrale der Matrix. In Russland gibt es keinen Genmais, aber ein intaktes Familienbild. Klimawandel? „Fucking bullshit.“
Was ihren Erfolg mit rund 275.000 Abonnenten ausmacht, ist die Erziehungsdienstleistung. Sinn- und orientierungsuchenden Jugendlichen legen sie nahe, Routinen zu entwickeln, eiskalt zu duschen, sich ihrer Ziele im Leben mit Meditation und Tagebüchern zu vergewissern, dankbar zu sein für Erfolge, in die Natur zu gehen, Computerspiele zu meiden, vor allem aber reich und erfolgreich zu werden. Denn Geld macht unabhängig und frei. Alles nützlich, vor allem angesichts einer Zukunft, in der weder die Rente noch der Arbeitsplatz, erschwingliche Reihenhäuser und der Billigflug nach Sansibar mehr selbstverständlich sind – was die wohlmeinenden liberalen Eltern Tag für Tag beklagen, ohne die Konsequenzen zu ziehen.
Derlei Anstiftungen zur Selbstverbesserung – für die es keine linken Äquivalente gibt – gehen nahtlos über in schäumende Wut über die „weltweite Agenda zur Abschaffung der männlichen Werte“ und Aufrufe zum Kampf, nein, nicht gegen den inneren Schweinehund, sondern die innere fucking pussy, und eine Dauersuada gegen alle Parteien, vor allem die geschlechtsverwirrten, von einem Kinderbuchautor und einer viel zu dicken Frau geführten Grünen.
Anderthalb Jahre haben die beiden Gurus unter dem Radar einer schwindenden klassischen Medienöffentlichkeit gesendet. Dann hat das Magazin Stern sie entdeckt. Seither arbeiten sie verschärft mit geskripteten Texten – und werden deutlich mit ihren Plädoyers für die einzige Partei, die gegen die woke Antivolksfront antrete: Wenn nach der nächsten Bundestagswahl CDU und Grüne das Land endgültig zugrunde gerichtet hätten, käme 2029 die AfD zum Zuge.
Auch in diesen Tagen sind sie im Wahlkampfmodus, zitieren süffisant SPD-Pensionär Sigmar Gabriel: „Wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben.“ Oder Roderich Kiesewetter von der CDU: „Wenn Europa die Energiewende vollziehen will, braucht es eigene Lithiumvorkommen. Die größten Lithiumvorkommen in Europa liegen im Donetsk-Luhansk-Gebiet. […] Also wir haben hier auch ganz andere Ziele noch im Hintergrund […]“ Antikapitalismus können sie auch.
Woher die Kriegsbegeisterung der „Systemparteien“ kommt? Antwort: Weil es „im Kriegsfall keine Neuwahlen gibt“. Und weil „diese Leute selbst niemals vorhaben, ihre Kinder an die Front zu schicken“, werde die Bevölkerung wieder einmal nur „als Masse gesehen, als Kanonenfutter […].
Anti-elitärer Pazifismus von rechts – das könnte attraktiv sein, aber antimilitärisch ist er nicht, denn: „Zu wissen, wie man sein Bett macht, marschieren zu gehen, einfach mal eine gewisse Weise die Härte des Lebens verspüren. Die meisten Leute, die ihre Sojalatte trinken, die wissen nichts mehr über die Härte des Lebens, bis sie mal ganz hart damit konfrontiert werden […]. Ich finde das gut, einfach einen Grundstock an innerlicher Stärke, Resilienz, also Widerstandsfähigkeit und Disziplin aufzubauen.“
Jürgen Kaube dreht frei
Pazifisten oder Freunde der AK47 – anschlussfähig sein nach allen Seiten, das ist ein altbewährtes Rezept, wenn man drankommen will. Neuerdings sitzt Philip Hopf nicht mehr so oft im kargen Studio, sondern ballert schon mal aus einer großräumigen Villa mit Terrasse hoch am Hang über Stuttgart gegen die „Bildungsidioten“ aus den ideologisch versifften Universitäten.
Ein anderes „Signal an den Elfenbeinturm“ kam neulich aus der FAZ. Co-Herausgeber Jürgen Kaube wetterte gegen die „Wirklichkeitsverweigerung“ der „Linken und Liberalen“, der „Sachbuchrevolutionäre“ aus der woken „geschlossene Anstalt“. Die Stärke der AfD bestehe darin, dass es die „Probleme (gibt), die von rechts vorgebracht werden“, dass die Regierenden sich über die „drastischen Missstände euphemistisch hinweglügen“. Kein konkretes Wort über die Milliarden, die Not täten (Klima, Brücken, Schulen, KI), und die Zukunftsverweigerung der FDP. Dafür ein erratischer Satz, bei dem es bei mir aus weiter Ferne klingelte: „Die AfD hatte noch nie die Chance, sich an einer Regierung zu beteiligen. Deshalb hatte sie auch noch nie die Chance, sich und ihre großmäuligen Phrasen in einer Regierung zu blamieren.“
Die werden schon abwirtschaften? Ich will mal annehmen, Kaube hält das nicht für eine Strategie; bei anderen bin ich nicht so sicher. Die Radikalisierung auf den wackeligen Mittelplätzen der Gesellschaft dürfte zunehmen, und Montesquieu sei mit uns, wenn es demnächst noch ein paar demagogische Talente mehr jenseits von Alice Weidel und ein paar Medien jenseits der Welt gibt, eine Allianz von Herren-Writern, echten Kerlen und Leistungsträgern mit Sitzgruppe. Einstweilen ist die schöne Terrasse, vor der Philip Hopf sitzt, ein Fake, eine Tapete: mal sind die Fenster rechts und mal links. Ist ja vorerst noch egal, wo man einsammelt.
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