: Rechte Bewunderer
Eine schlagende Verbindung lädt zu Ernst-Jünger-Gedenkveranstaltung ein, „Zeit“-Kolumnist Harald Martenstein ist als Stargast dabei. Das „Bündnis gegen rechts“ ruft zum Protest

Von Andreas Speit
Im Schützengraben, auf der Klippe oder im Wald. Der emsige Käfersammler war ein fleißiger Schreiber. Ernst Jünger beschwor den heroischen Soldatentod, die innere Emigration und die zeitgeistliche Widerständigkeit. Ein Solitär mit reflektierter Distanz und transzendentalem Habitus wollte der Schriftsteller sein, der 1998 im Alter von 103 Jahren verstarb – hoch geehrt und viel bewundert in weiten Teilen der Bundesrepublik.
Eine anerkannte literarische Größe also. Trotzdem ruft am Samstag das Hamburger „Bündnis gegen rechts“ mit gutem Grund zur Protestdemo gegen eine Ernst-Jünger-Gedenkveranstaltung auf. Besonders bedenklich stimme an der, dass neben gesichert rechtsextremen Bewunderern des militaristischen Autors „auch Angehörige des konservativen Establishments“ teilnehmen, so das Bündnis, „darunter CDU-Mitglieder und Personen aus der Wirtschaft“.
Veranstalter ist die schlagende Verbindung „Landsmannschaft Mecklenburgia Rostock“, über die der Verfassungsschutz schon 1993 in einem vertraulichen Bericht schrieb, sie habe „als zumindest rechtsextremistisch beeinflusst“ zu gelten. Stargast ihrer diesjährigen Jünger-Huldigung, die unter dem Titel „Erdbeeren mit Burgunder“ firmiert: Harald Martenstein.
Ab 19 Uhr können zahlende Gäste dem Kolumnisten von Die Zeit, NDR und Die Welt im Haus der Landsmannschaft laut interner Ankündigung zuhören. Im Zeit-Magazin vom 15. Mai hatte Martenstein noch – fehlinformiert – behauptet, Adolf Hitler sei der „wichtigste Pionier“ des Genderns gewesen. Grund war, dass er seit 1925 in seinen Ansprachen die getrennte Anrede von weiblichen und männlichen Genossinnen und Genossen kopiert hat. Die war bei Kommunisten und SPD-Parteitagen seit Beginn des 20. Jahrhunderts üblich gewesen.
In ihrer Selbstdarstellung betont die Landsmannschaft, sich „keine weltanschaulichen oder konfessionellen Zwänge“ aufzuerlegen. „Ebenso wenig lassen wir uns vom Zeitgeist gängeln.“ Ernst Jünger dürfte sich da nicht missverstanden fühlen: Den Zeitgeist der Moderne – die parlamentarische Demokratie, feministische Tendenzen und gesellschaftliche Liberalität – lehnte er seit den 1920er-Jahren ab. Doch der Literat aus dem Spektrum der „Konservativen Revolution“, die gegen die republikanische Realität und für eine autoritäre Reaktion anschrieb, krakeelte mitunter auch laut. Im Jahr 1930 nahm der Erste-Weltkrieg-Erfahrene teil an einem von der SA angeführten Mob, dessen Ziel es war, einen Vortrag von Thomas Mann in Berlin zu stören: Der Literaturnobelpreisträger hatte seine reaktionär-nationalistischen Positionen aus den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ spätestens angesichts der nationalsozialistischen Bewegung revidiert und war ins republikanisch-demokratische Lager gewechselt.
Protestdemo gegen dieErnst-Jünger-Gedenkveranstaltung, 24. 5., 18 Uhr, Winterhuder Markt, Hamburg
Mann sollte Jünger später als „geistigen Wegbereiter und eiskalten Wollüstling der Barbarei“ bezeichnen. Jünger waren die NSDAP und der Führer zwar zu vulgär. Bei aller ästhetischen Distanz zur nationalsozialistischen Bewegung suchte er als Autor praktisch ihre Nähe. So schrieb er Artikel für den Völkischen Beobachter und verteidigte rechtsterroristische Morde.
Seine entmenschlichte Ästhetik greift die Landsmannschaft mit dem gewählten Titel der Veranstaltung auf. Er spielt auf eine Szene an, die Jünger während seiner Zeit als Wehrmachtsoffizier im Mai 1944 im besetzten Paris in sein zur Veröffentlichung bestimmtes Tagebuch schrieb. Anlass war das Bombardement der Stadt durch die US-Luftwaffe, das er vom hohen Dach des Hotels, in dem er einquartiert war, genüsslich beobachtet: Zweimal habe er „in der Richtung von St. Germain gewaltige Sprengwolken aufsteigen“ sehen. Beim zweiten Mal „hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Blütenkelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird.“
Kriegskitsch mit Sexassoziationen: In der französischen Hauptstadt nahm Jünger damals freiwillig an Hinrichtungen von Deserteuren und Gegner*innen teil. Die Landsmannschaft werden diese Schilderungen kaum stören. Sie beklagt schon lange einen „deutschen Selbsthass“ als „ungesund und dekadent“ und betont die „Vaterlandsliebe“. Die liegt auch den Ernst-Jünger-Festrednern am Herzen: Neben Uwe Tellkamp waren bisher der ehemalige Leiter des extrem rechten Magazins Cato, Andreas Lombard, sowie der Spiritus Rector dieses Heftes, Karlheinz Weißmann, zu Gast.
Das Hamburger „Bündnis gegen rechts“ weist aber darauf hin, dass in diesem „Lebensbund“ Kader der AfD mit Personen aus CDU und Wirtschaft zusammentreffen. So finden sich unter den 100 Landsmannschaft-Mitgliedern der ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Horst Szychowiak und einst leitender Mitarbeiter beim NDR, aber auch das Ehrenmitglied des Nordmetall-Vorstands, Wolfgang Würst.
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