Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Neo-Nazis weiter aktiv
Unbekannte beschmieren in Berlin-Britz Schulen und das Burak-Bektaș-Denkmal. Die Zivilgesellschaft ist alarmiert und organisiert Gegenproteste.
Die Zivilgesellschaft deutet die Taten so, dass sich die rechtsextreme Szene in der Gegend wieder mehr aus der Deckung traut. Grund könnten die Teilfreisprüche gegen die Hauptverdächtigen in der Anschlagsserie, Thilo P. und Sebastian T., im Februar sein. „Die Urteile könnten Anlass für die rechte Szene sein, wieder etwas offensiver vorzugehen“, vermutet Jürgen Schulte von der Anwohner:inneninitiative „Hufeisern gegen Rechts“.
In der Hufeisensiedlung in Neukölln gäbe es seit Jahren eine Kontinuität rechter Aktivitäten, bestätigt Simon Brost von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (MBR). Besonders die Kleinstpartei „Der Dritte Weg“, zu der auch die Hauptverdächtigen der Anschlagsserie gehörten, habe sich in Süd-Neukölln zu einem Auffangbecken organisierter und militanter Neonazis entwickelt. Ob die Schmierereien an der Schule ebenfalls von dieser Szene verübt worden sind, könne man nicht zweifelsfrei sagen, so Brost. „Es müssen nicht zwingend organisierte Neonazis gewesen sein.“
Nach Angaben der Polizei kam es bereits eine Woche zuvor, am 6. März, zu Hakenkreuzschmierereien an gleich zwei Schulen in der Nähe: der Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule und dem Albert-Einstein-Gymnasium. Neben Hakenkreuzen seien auch Antifa-Symbole, Allahu-Akbar-Slogans, 666 und PKK-Zeichen gesprüht worden, berichtet eine Sprecherin der Polizei der taz. Die Symbole würden eher auf Täter:innen ohne gefestigte Ideologie hindeuten.
Bektas-Denkmal geschändet
Einen eindeutig rechtsextremen Hintergrund hatte hingegen die erneute Schändung des Burak-Bektaş-Denkmals am 8. März, das ebenfalls mit Hakenkreuzen beschmiert wurde. Mittlerweile ist es das vierte Mal, dass das 2017 errichtete Denkmal geschändet wurde. „Es reicht ihnen nicht, einen Menschen erschossen zu haben, jetzt müssen sie sein Andenken in den Dreck ziehen“, verurteilt Schulte die Tat.
Der damals 22-jährige Bektaş wurde am 5. April 2012 von Unbekannten auf offener Straße vor dem Krankenhaus Neukölln erschossen. Angehörige und Aktivist:innen vermuten eine rassistische Tatmotivation; der Mord wurde jedoch nie aufgeklärt. Ähnlich wie bei der Anschlagsserie kritisieren Angehörige, die Polizei tue nicht genug, um den Mord aufzuklären.
Um den rechten Umtrieben in ihrem Kiez etwas entgegenzusetzen, organisiert die Anwohner:inneninitiative zusammen mit den betroffenen Schulen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen am Donnerstag eine Protestkundgebung in der Siedlung (siehe Kasten). „Es ist wichtig, den Rechten nicht den Raum zu überlassen“, sagt Karin Wüst von Basta Britz, einer Initiative, die seit Jahren eine konsequente Aufklärung rechter Straftaten in Neukölln fordert und ebenfalls an der Kundgebung teilnimmt.
Dass sich die Menschen zu einer Reaktion genötigt fühlen, liegt auch daran, dass staatliche Organe in Neukölln seit Jahren versagen, rechten Terror zu verhindern oder aufzuklären. Immer wieder Ziel von rechten Angriffen ist auch die linke Jugendorganisation Die Falken. 2011 brannte das Jugendheim in der Gutschmidtstraße nach einem Brandanschlag komplett nieder. Nun hat im Februar die Polizei den Objektschutz überraschend eingestellt, berichtet Falken-Kreisvorstand Björn Herz der taz. Angesichts der verstärkten Nazi-Aktivitäten sei das vollkommen unverständlich, meint Herz. „Noch ein brennendes Haus will ich nicht.“
Letzte Hoffnung Untersuchungsausschuss
Nach den enttäuschenden Teilfreisprüchen im Februar liegt nun die Hoffnung auf dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der endlich Licht in den Komplex der Neuköllner Anschlagsserie und den rechtsextremen Unterstützerkreis bringen soll.
Trotz der Neuwahlen wird der Untersuchungsausschuss seine Arbeit fortsetzen können, wenngleich in leicht veränderter Besetzung, die sich durch die neue Sitzverteilung im Parlament ergibt. Voraussichtlich wird in der Plenarsitzung am Donnerstag beschlossen, den Ausschuss formell wieder einzusetzen. Seine Arbeit wird der Ausschuss vermutlich aber erst nach Ende der Koalitionsverhandlungen aufnehmen können, nachdem auch die Mitglieder aller weiteren Ausschüsse benannt sind.
Doch auch im Untersuchungsausschuss kommt die Arbeit nur schleppend voran. Die Behörden lieferten wichtige Akten nur widerwillig, berichtet Ausschussmitglied Niklas Schrader von der Linken. „Wir werden weiter um Akten kämpfen müssen.“
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