Recht auf Straßenstrich: Sicher prostituieren

Für eine Zimmermiete würde ihr Einkommen nicht reichen: Eine Prostituierte hat ihr Recht auf den Straßenstrich in Dortmund eingeklagt.

Arbeiten in sicherer Atmosphäre: Dortmund, Ravensberger Straße. Bild: dpa

GELSENKIRCHEN taz | Die Sexarbeiterin Dany K. weiß, was sie will: „Ich brauche einen sicheren Arbeitsplatz“, sagt sie. Seit 2006 hatte die 38-jährige Prostituierte in der Ravensberger Straße in Dortmund gearbeitet. Vor zwei Jahren aber verbot die SPD-geführte Stadtverwaltung nicht nur dort, im Industriegebiet, die Prostitution. Gleich das ganze Stadtgebiet wurde plötzlich zum Sperrbezirk erklärt.

Dany K. hat die Stadt deshalb vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verklagt – und Recht bekommen: Außerhalb der Innenstadt und der Ravensberger Straße sei es „der Klägerin nicht untersagt, der Straßenprostitution nachzugehen“, urteilte die 16. Kammer des Vorsitzenden Richters Andreas Brüggemann und berücksichtigte so das Grundrecht auf freie Berufswahl.

Für Stadtverwaltung und Polizei ist das ein herbe Niederlage: In ganz Dortmund gebe es keinen einzigen Ort, an dem Straßenprostituierte arbeiten könnten, ohne das „Wohl der Jugend“ oder den „öffentlichen Anstand“ zu gefährden, hatten sie argumentiert. Unterstützt wurde sie von der Bezirksregierung Arnsberg als Vertreterin des Landes Nordrhein-Westfalen.

Der „größte Strich Westdeutschlands“

Sie fürchten das Chaos: 2011 habe es in Dortmund den „größten Strich Westdeutschlands“ gegeben. Besondere Sorge macht den Behörden die angebliche „Sogwirkung“ auf Sexarbeiterinnen aus den EU-Ländern Bulgarien und Rumänien. Unter den Roma der zweitgrößten bulgarischen Stadt Plowdiw sei Dortmund ein Begriff, heißt es in der Klageerwiderung der Stadt. Da ZuwandererInnen aus den beiden Ländern bis 2014 nur als Selbstständige in Deutschland arbeiten dürfen, bliebe den Frauen nur die Prostitution, um den Lebensunterhalt ihrer Familien zu sichern, glauben die Beamten.

Zuvor war es insbesondere in der an den Straßenstrich angrenzenden Dortmunder Nordstadt zu Protesten gegen den Zuzug von Roma gekommen, Anwohner klagten über vermüllte Häuserzeilen. „Der Stadtverwaltung geht es nicht um Jugendschutz“, kritisiert deshalb der Anwalt von Dany K., Wilhelm Achelpöhler. „Verhindert werden soll stattdessen Armutsmigration.“

Der Dortmunder Straßenstrich galt bis 2011 als vorbildlich. „An der Ravensberger Straße gab es Verrichtungsboxen, die mit einem Alarmknopf ausgerüstet waren“, sagt Elke Rehpöhler, Leiterin der Kommunikations- und Beratungsstelle Kober, deren Mitarbeiterinnen direkt vor Ort waren. Seit Schließung des Straßenstrichs hat die Gewalt gegen Prostituierte, die illegal auf der Straße weiterarbeiten, dagegen zugenommen: „Frauen werden verprügelt, ausgeraubt“, sagt Rehpöhler. Im August 2011 stieß ein Freier eine Sexarbeiterin aus dem Fenster seiner Wohnung, nachdem er ihr ein Messer in den Unterleib gerammt hatte. Heute ist die Frau ein Pflegefall.

Klägerin Dany K. hofft jetzt auf mehr Sicherheit auf einem neuen Straßenstrich. „Ich habe gewonnen“, freute sie sich nach der Urteilsverkündung ungläubig. Die Dortmunder Ratsfrau Ulrike Märkel von den Grünen, die Dany K. bei ihrer Klage unterstützt hatte, sprach von einem „ausgewogenen Urteil“. Das werde Signalwirkung auf andere Städte haben, die wie etwa Nürnberg die Straßenprostitution komplett verbieten.

Dany K. kann dagegen auf der Straße weiterarbeiten: „Im Bordell zahle ich pro Tag 100 bis 150 Euro Zimmermiete“, sagt sie. „Um das Geld zu verdienen, muss ich drei bis vier Kunden bedienen – normalerweise fahre ich danach nach Hause.“

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