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Recht auf Arbeit in PortugalDer Trick mit dem Artikel 21

Alcides Santos hat einen Widerspruch in der Verfassung entdeckt. Darin ist sowohl vom Recht auf Arbeit als auch vom Recht auf Widerstand die Rede.

Dem arbeitslosen Informatiker Alcides Santos und seiner Familie bleiben nur 200 Euro zum Leben Bild: ap

MADRID taz | Was hat Vorrang? Der Steuerbescheid oder die Verpflegung für die eigenen Kinder? Für Alcides Santos aus Lissabon ist die Antwort einfach: „Ganz klar, an erster Stelle steht das Überleben meiner Kinder und meiner Familie, danach kommt die Wasser- und Stromrechnung, die Wohnung und an letzter Stelle die Steuern,“ erklärt der 46-jährige arbeitslose Informatiker. Vergangenen Dienstag teilte er den zuständigen Behörden seine Entscheidung mit, eine Steuerrechnung über 700 Euro nicht zu begleichen.

Santos ist seit zwei Jahren arbeitslos und bezieht keine Stütze mehr. Die vierköpfige Familie muss mit 600 Euro im Monat auskommen, die Santos’ Frau in einem Callcenter verdient. Der Wohnungskredit beläuft sich auf 400 Euro monatlich. Bleiben 200 Euro für den Rest.

Bevor Santos seinen Entschluss fasste, studierte er die Verfassung. „Die Regierung tut nichts dazu, um Arbeitsplätze zu schaffen“, beschwert er sich. „Damit verhindert sie, dass der Verfassungsartikel, der vom Recht auf Arbeit spricht, umgesetzt wird.“ Er berufe sich deshalb auf Artikel 21, in dem jedem Portugiesen im Falle eines groben Verstoßes gegen die Verfassung „ein Recht auf Widerstand“ zugestanden wird.

Jetzt wird ein Gericht über Santos’ Schreiben zu befinden haben. Einige namhafte Verfassungsrechtler sehen gute Chancen für seine Argumentation. Santos könnte damit zum Vorbild für andere werden. In Portugal sind mehr als eine Million Menschen – 17 Prozent – ohne Arbeit.

Santos selbst wird das Heer der Arbeitslosen wohl schon bald verlassen. Einen Tag nachdem er mit seiner Aktion für Schlagzeilen sorgte, bekam er eine Stelle angeboten. „Sobald ich arbeite, werde ich wieder zum normalen Bürger und werde künftig wieder meine Rechnungen begleichen“, versichert der Informatiker.

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2 Kommentare

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  • L
    lowandorder

    Nachklapp für die Nachgeborenen.

     

    Um die Sprengkraft des hier auf die Tagesordnung

    gesetzten Verfassungskonfliktes faßbar zu machen,

    eine Seminarszene aus den 70gern.

    Eine Zeit, als der Begriff Vollbeschäftigung noch nicht

    - " vergiß'et" - auslöste; man in der Verfassungsdiskussion unter

    der Formel " Leisungsstaat und Grundrechte" versuchte

    Vater an die Optimierungs-Arbeit zu kriegen -

    oder auch eher nicht.

     

    Da konnte der Doyen des Verfassungsrechts ( Freiburger Schule)

    und spätere souveräne Verfassungsrichter Konrad Hesse - als Gast -

    im Häberle-Seminar sich nur schwer der argumentativen Kraft der Seminarteilnehmer

    - und nicht nur der (auch) Wolfgang Abendroth-Apologeten - erwehren,

    um sich schließlich zurück auf die Formel zu ziehen :

    " hinter einem Recht auf Arbeit, taucht schnell die Pflicht zur Arbeit auf!"

     

    Das war seherisch - allerdings anders als erwartet.

    War es doch den Hartz-IV-Verbrechern, allen voran StamokapSchröder aka

    GazPromGerd, vorbehalten, stattdessen die 'Pflicht zur Arbeit' akzeptabel gemacht zu haben.

    Alllerdings - ohne das von Konrad Hesse - nur eingeschränkt favorisierte -,aber notwendige Pendant - ' Recht auf Arbeit' - zu materialisieren.

     

    ( Zur seinerzeitigen Heftigkeit:

    Ein Carl-Schmitt-Apologet bezeichnete die genau um diesen Konflikt

    kreisende Examenshausarbeit eines Häberle-Schülers als " politisches Pamphlet"

    und gab gnädig die Note " gerade noch ausreichend".

    Was wahrlich weniger daran lag, daß er's mit zwei ausreichend-Examen

    zum Prof geschafft hatte.

    Was wiederum einen seiner Alt-Kollegen zu dem

    Ausruf " In-der-Tat" veranlaßte, "wachse das Rückgrat dieses Herrn doch merklich nach - "indertat, indertat."( Parlamentsrechtler werden wissend griemeln):)

  • L
    lowandorder

    Ein feines Dribbeling.

    Wir dürfen gespannt sein.

     

    Neben Italien, Spanien hat die portugiesische

    Justiz nach Salazar ihr ganz eigenes Gesicht

    und einen "conseil de justize "

    ( ja, Der Rat der Richter

    heißt da anders!ok)

     

    Sie beherbergt die einzigen Richter Europas,

    die quer durch die Instanzen für die Gleichwertigkeit

    der Dritten Gewalt - deutsche Richter herchehört -

    erfolgreich gestreikt haben.

     

    In der Sache: aufgrund eben solcher Überlegungen zum

    Recht auf Arbeit ist dieses als justiziables Grundrecht nicht

    ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen worden.

    Versuche - es hineinzuinterpretieren waren bisher

    nicht von Erfolg gekrönt.

     

    Frage: Stundung, Aussetzung et al. im portugiesischem

    Finanzrecht unbekannt?