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Recherche-Podcast „Wer ist Joni?“Das einsame Mädchen

Eine Journalistin sucht nach ihrer 12-jährigen Brieffreundin. Dabei findet sie Ungereimtheiten und Zweifel.

„Wer ist Joni?“ ist ein Podcast über Vertrauen im Internet (Archivbild) Foto: imago

Alles beginnt mit einer Mail: Ein 12-jähriges Mädchen schreibt der Kinderredaktion der Süddeutschen Zeitung einen Leserbrief. Er landet bei der Journalistin Christiane Lutz. Sie antwortet, es entsteht eine Brieffreundschaft, und schnell wird klar: Hier schreibt kein gewöhnliches Mädchen. Joni, so heißt das Mädchen, hat viel erlebt. Sie hat ihre Mutter sterben sehen und lebt allein. Sie wurde sexuell missbraucht, verletzt sich und kann kaum sprechen. Klingt verrückt? Das denken die Freun­d:in­nen von Christiane Lutz auch. Aber Lutz lässt sich davon nicht abschrecken, sie will dem Mädchen helfen.

Über sechs Folgen erzählt Lutz, wie sie versucht, das Mädchen zu finden. Wie sie Mitleid mit dem Kind entwickelt, begeistert und beeindruckt von ihm ist. Vorsichtig tastet sie sich erst durch die Lebensgeschichte von Joni, dann durch ihre digitalen Spuren. Nach und nach gibt es Ungereimtheiten, mit jedem Schritt wachsen Lutz Zweifel an der Geschichte von Joni. Irgendetwas stimmt nicht, aber was?

„Wer ist Joni?“ ist ein Podcast über Vertrauen im Internet. Von Heiratsschwindlern oder Leuten, die im Internet Geld erpressen, hat man schon viel gehört. Aber der Fall von Joni ist anders. Stark ist er vor allem deshalb, weil Christiane Lutz ihn so persönlich erzählt. Sie kontrastiert ihre Recherchen mit ihren eigenen Gedanken und Gefühlen. Sie fühlt sich naiv, paranoid, wütend, erleichtert und all das kann man beim Hören absolut nachfühlen.

Der Podcast

„Wer ist Joni?“, sechs Folgen bei der SZ

Schade ist nur, dass die SZ diesen Podcast fast genauso gut versteckt wie Joni ihre Spuren im Netz. Die erste Folge gibt es auf den bekannten Podcast-Plattformen, alle weiteren hört man mit einem SZ-Abo auf der Webseite des SZ-Magazins. Das ist nachvollziehbar: So ein Podcast kostet richtig viel Geld, natürlich will die Redaktion damit auch verdienen. Andererseits ist der Player auf der SZ-Webseite unbequem zu bedienen. Bei so vielen Hindernissen muss ein Podcast schon richtig gut sein, um ihn trotzdem zu hören. So wie „Wer ist Joni?“.

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2 Kommentare

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  • Ich glaube, das ist schon vielen Menschen passiert, die online oder telefonisch Kinder und Jugendliche beraten, und hält gern ganze Supervisionsgruppen auf Trab.



    Diese Altersgruppe erfindet gerne fantastische Opfergeschichten, und es steckt ja auch oft ein anderes - meist zum Glück viel weniger gruseliges - Problem dahinter.



    Mit etwas Berufserfahrung ahnt man schnell, dass es nicht um das dramatische Geschilderte geht, aber muss ja trotzdem davon ausgehen, dass es stimmen *könnte*.



    Dass ein solcher Missbrauch von Helfenden echte Verletzungen hinterlassen kann und unverhältnismäßig viel Kapa bindet, ist Kindern und Jugendlichen meist nicht klar.

  • In der TAZ gab es vor langer Zeit von Gabriele Goettle schon einmal eine "Joni-Geschichte":

    taz.de/!1574566/