Rebellen in Zentralafrikanischer Republik: Hauptstadt Bangui erobert
Zentralafrikas Präsident Bozizé ist geflohen. Die Seleka-Miliz hat den Präsidentenpalast in Bangui eingenommen und kontrolliert die Stadt.
BERLIN taz | In der Zentralafrikanischen Republik ist die Rebellenkoalition Séléka (Allianz) am Ziel. Weniger als vier Monate nachdem sie im Nordosten des riesigen Landes ihren Kampf gegen die Regierung von Präsident François Bozizé aufgenommen hatten, eroberten die Rebellen am Sonntag die Hauptstadt Bangui. Präsident Bozizé floh nach Angaben seiner Entourage über den Grenzfluss Ubangi, an dem Bangui liegt, in die benachbarte Demokratische Republik Kongo.
"Meine Damen und Herren, die Zentralafrikanische Republik hat soeben ein neues Kapitel ihrer Geschichte aufgeschlagen", verkündete Séléka am Sonntagmorgen in einer von Generalsekretär Justin Kombo unterzeichneten Erklärung. "Die politische Koordination von Séléka ruft dazu auf, euch darauf vorzubereiten, unser teures und schönes Land in den Pantheon der Menschheitsgeschichte aufzunehmen." Konkret gemeint sind damit Gespräche mit den politischen Kräften - eine "große nationale Konzertation", wie es Séléka ankündigt.
Die Rebellen wollen auch mit der in Bangui stationierten Eingreiftruppe Fomac der zentralafrikanischen Nachbarländer wie Tschad und Kamerun sowie den französischen Soldaten am Flughafen der Stadt zusammenarbeiten. Paris hat in dem Land derzeit 250 Soldaten stationiert. Kein Partner für sie ist hingegen die aus Südafrika entsandte Eingreiftruppe, die zuletzt offenbar noch versucht hatte, Bozizés Präsidentenpalast zu verteidigen.
Mindestens sechs südafrikanische Soldaten sollen bei den Kämpfen Sonntagfrüh ums Leben gekommen sein. "Wir haben den Präsidentenpalast eingenommen, aber Bozizé war nicht da", erklärte der Séléka-Militärsprecher Djouma Narkoyo. "Jetzt nehmen wir den Staatsrundfunk ein." Von dort werde sich dann Séléka-Präsident Michel Djotodia ans Volk wenden.
Plünderungen in Bangui
Bis zum Spätnachmittag war dies noch nicht geschehen. Journalisten in Bangui vermeldeten am Vormittag verbreitete Plünderungen, unter anderem in Villen von Freunden des gestürzten Präsidenten und in einem bei Bozizé beliebten China-Restaurant. Auch die katholische Kathedrale im Stadtzentrum wurde sechsmal „besucht“, wie es hieß. Französische Truppen schwärmten aus, um französische Einrichtungen zu sichern, griffen aber nicht in die Kämpfe ein. Afrikanische Fomac-Eingreiftruppen nahmen die versprengten südafrikanischen Militärs auf. Am Nachmittag beruhigte sich die Lage.
Die Aufständischen hatten erst Mittwochabend ihren Waffenstillstand aufgekündigt, den sie seit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit der Regierung bei Verhandlungen in Gabun am 11. Januar eingehalten hatten. Sie begründeten diesen Schritt damit, dass Präsident Bozizé wichtige Maßnahmen dieses Friedensabkommens nicht umgesetzt habe.
Ihre Minister in der seit Februar amtierenden Regierung der Nationalen Einheit, die kaum mehr als auf dem Papier existierte, hatte Séléka bereits am vergangenen Wochenende zurückgezogen. Am Freitag hatten Séléka-Einheiten den Verteidigungsring durchbrochen, den tschadische Truppen der regionalen Fomac-Eingreiftruppe bei Damara rund 75 Kilometer nordöstlich von Bangui errichtet hatten.
Kein Widerstand – aus Versehen?
Die ausländischen Eingreiftruppen setzten dem Vormarsch der Rebellen danach keinen Widerstand mehr entgegen, vor allem nachdem sie unter Beschuss der Regierungsarmee geraten waren, mutmaßlich aus Versehen. Die Rebellen erreichten am Samstag den Rand von Bangui und begannen Sonntag im Morgengrauen, ins Stadtzentrum zu fahren.
Die Zentralafrikanische Republik wurde 1960 unabhängig. Das Land ist seit Jahrzehnten von politischer Instabilität geprägt. Trotz reicher Vorkommen an Diamanten, Gold und Uran gehört es zu den ärmsten Staaten der Erde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin