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Reallöhne sinken im RekordtempoInflation frisst Lohnerhöhungen auf

Weil der Warenkorb umgepackt wurde, korrigieren Statistiker die Inflationsrate nach unten. Trotzdem bedeutet sie Reallohneinbußen von 3,1 Prozent.

Weniger Reallohn bedeutet auch weniger einkaufen können Foto: dpa

Berlin rtr | Die Reallohneinbußen in Deutschland sind im vergangenen Jahr wegen der korrigierten Inflationsrate nicht so stark ausgefallen wie bislang angegeben. Die Bruttomonatsverdienste von Ar­beit­neh­me­r:in­nen einschließlich Sonderzahlungen legten um 3,5 Prozent zu, die Verbraucherpreise mit 6,9 Prozent aber deutlich stärker. Damit sanken die Reallöhne im Rekordtempo von 3,1 Prozent und bereits das dritte Jahr in Folge, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

Eine frühere Schätzung hatte sogar ein Minus von 4,1 Prozent ergeben, wurde aber nun deutlich nach unten korrigiert. Das war notwendig geworden, weil die Inflationsrate für das 2022 neu berechnet wurde: Der zur Preisermittlung herangezogene Warenkorb wurde auf die Konsumgewohnheiten aus dem Jahr 2020 umgestellt, bislang diente 2015 als Basis.

Weil im neuen Warenkorb die zuletzt stark verteuerte Energie – der größte Preistreiber – weniger Gewicht hat, sank auch die Inflationsrate deutlich, nämlich von 7,9 auf 6,9 Prozent.

Anstieg der Nominallöhne aufgezehrt

„Nach wie vor handelt es sich um den höchsten Anstieg der Nominallöhne bei gleichzeitig stärksten Reallohnverlust für die Beschäftigten, der seit Beginn der Zeitreihe 2008 in Deutschland gemessen wurde“, betonten die Statistiker:innen. Während 2020 insbesondere der vermehrte Einsatz von Kurzarbeit wegen der Coronapandemie dazu beigetragen hatte, dass die Nominal- und Reallöhne niedriger ausfielen, zehrte 2021 und 2022 die hohe Inflation den Nominallohnanstieg auf. Zuletzt fiel die Entwicklung sogar wieder negativ aus: Im vierten Quartal 2022 sanken die Reallöhne um 3,7 Prozent.

Die hohe Inflation dürfte der Bundesbank zufolge auch wegen hoher Tarifabschlüsse noch eine Weile anhalten. Die Löhne müssen steigen, damit die Ar­beit­neh­me­r:in­nen die höheren Preise bezahlen können. Bei der Bundesbank sieht man jedoch vor allem die Auswirkungen auf die Preise: „Spürbare Zweitrundeneffekte sind absehbar“, heißt es im aktuellen Monatsbericht. „Sie tragen dazu bei, dass die Inflationsrate über einen längeren Zeitraum deutlich über dem mittelfristigen Ziel von 2 Prozent für den Euroraum bleiben wird.“

Konkret befürchten die Autor:innen, dass die Unternehmen die höheren Personalkosten wieder auf ihre Verkaufspreise umlegen und so eine Lohn-Preis-Spirale ausgelöst wird.

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2 Kommentare

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  • Nach Jahrzehnte langer Umverteilung von unten nach oben, bräuchte es nun endlich eine Umverteilung von oben nach unten. Hierfür wäre nicht nur eine Anhebung der unteren Einkommen (Löhne, HartzV, Grundsicherung, Rente, Asylunterstützung) von Nöten sondern auch eine höhere Besteuerung von Reichtum durch eine Reform der Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

  • Ob man es will oder nicht, die Krisen der Welt und der ökologische Umbau kosten die Bürger einen Teil des Wohlstandes. Man kann das nicht einfach mit Lohnerhöhungen aus der Welt schaffen. Natürlich sind auch Unternehmen gefordert. Unsolidarisch sind jedoch die öffentlichen Bereiche, die aufgrund der fehlenden Konkurrenz und der staatlichen Taschen auf Teufel komm raus streiken. Wer in Branchen arbeitet, die internationaler Konkurrenz unterliegen und schon am Auswandern sind, hat doppelt das Nachsehen, da er jeden ÖTV er mitzahlen muß.