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Reaktionen der EU auf CDU-AntragMerz gegen Geas

Der im Bundestag mit Stimmen der AfD verabschiedete Fünfpunkteplan der CDU/CSU widerspricht dem EU-Asylrecht. Für Ursula von der Leyen ist das ein Problem.

Muss über die Einhaltung der EU-Verträge wachen: Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Der Fünfpunkteplan der CDU/CSU im deutschen Bundestag hat auch in Brüssel hohe Wellen geschlagen. Die EU-Kommission ging in ihrem täglichen Pressebriefing zwar nicht auf das Thema ein. Dass sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) große Sorgen um das Europarecht macht, ist aber ein offenes Geheimnis. Sie war Spitzenkandidatin der Unions­parteien für die Europawahl, muss nun aber über die Einhaltung der EU-Verträge wachen und die kurz vor der EU-Wahl im Juni 2024 beschlossene Geas-Asylreform umsetzen.

Im Europaparlament gerät sie deshalb unter Beschuss. „Von der Leyen macht ihren Job nicht“, ­kritisierte der grüne Migra­tionsexperte Erik Marquardt auf Anfrage der taz. „Die Schengen-Regeln werden seit Jahren nicht angewendet. Trotzdem reagiert sie nicht – dabei ist Merz’ Forderung nach ständigen Grenzkontrollen ganz klar antieuropäisch.“

Ähnlich äußerte sich Birgit Sippel von der SPD. „Es ist schon peinlich, dass zwar die ehemalige Kanzlerin Merkel widerspricht, von der EU-Kommission und Frau von der Leyen aber nichts kommt. Sie traut sich wohl nicht, eine klare Ansage zu machen.“ Dabei stelle der Fünfpunkteplan von CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz auch die Geas-Reform infrage.

Ärger gab es auch bei ­einem informellen Treffen der EU-Innenminister in Warschau. „Wir sind gegen Kontrollen an den internen Grenzen der EU“, sagte Luxemburgs Innenminister Léon Gloden. Sollte Deutschland eine Verlängerung der bereits bestehenden Kontrollen beantragen, werde Luxemburg bei der EU-Kommission Einspruch einlegen. Der neue EU-Innen­kommissar Magnus Brunner sagte gegenüber Medien, für ihn habe die Umsetzung des EU-Asylpakts (Geas) Vorrang. Darin seien schon viele Punkte enthalten, die nun diskutiert werden. Zum Merz-Plan wollte er sich ebenso wenig äußern wie seine Chefin. „Wir müssen zuerst einmal schauen, was überhaupt auf Papieren steht“, sagte er.

Für Aufregung in Brüssel sorgt auch, dass der CDU/CSU-Antrag nur mit Hilfe der Stimmen der AfD eine Mehrheit fand. Das sei noch bis vor Kurzem undenkbar gewesen, heißt es in der EU-Hauptstadt.

Allerdings gab es bereits im vergangenen September einen Präzedenzfall im Europaparlament: Die konservative EVP-Fraktion, die von dem deutschen CSU-Politiker Manfred Weber geleitet wird, stimmte gemeinsam mit Rechtspopulisten – darunter auch AfD-Politikern – für eine umstrittene Venezuela-Resolution. Dies war ein erster Bruch der „Brandmauer“. Allerdings blieb er ohne Folgen, da die Entschließung unverbindlich war.

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18 Kommentare

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  • Jetzt rächt sich, dass Europa kein vernünftiges Einwanderungsgesetz zustande gebracht hat. Ganz abgesehen davon, dass die Gelder für Frontex sinnvoller eingesetzt werden könnten, wenn man denn endlich mal wollte.

    • @aujau:

      Vor allem aber sollte die EU endlich mit kolonialem Gehabe aufhören. Die sogenannten "Frei"handelsverträge ermöglichen freien Profitzuwachs europäischer Firmen und evtl. einiger lokaler Protagonisten. Sie zerstören aber großflächig die Lebensbedingungen der Bevölkerungen. Und das die dort abhauen um ihren Kindern den Hungertod zu ersparen oder von europäischen Waffen umgelegt zu werden - wen wundert's? Die EU sollte endlich ernsthaft beginnen, die Lebensbedingungen in den Ländern zu verbessern und nicht nicht nur die einer korrupten Elite hier wie dort.

    • @aujau:

      2013 hat sich Griechenland, 2014 Italien mit der Bitte an die EU gewandt, bei ihrem Flüchtlingsproblem zu helfen. Abgelehnt wurde das vom damaligen deutschen Finanzminister Schäuble mit dem lapidaren Hinweis, das sei nicht unser Problem. Mit einer weniger armseligen Reaktion hätten wir heute die Probleme in diesem Kontext vermutlich nicht.

    • @aujau:

      Es wurde ja GEAS eingebracht. Wer ist nicht darauf eingegangen? Er kommt aus Brilon.

      Einwanderung ist komplex und verwehrt sich einfachen Lösungen. Maschinengewehre an den Grenzen können es nicht sein, gar keine Regulierung wohl auch nicht.

      Doch mutmaßlich ist eine offene wie faktengestützte Haltung zu Einwanderung ein Weg zu der, die wir u.a. wirtschaftlich und für unsere Seelen gut gebrauchen können. Wer sich über ein Attentat aufregt, sollte nicht verdrängen, was an den Grenzen oder auf dem Mittelmeer passiert.

  • Die Dublin-Regeln werden seit Jahren nicht umgesetzt und trotzdem macht Frau von der Leyen ihren Job nicht.

    Wenn Dublin und Schengen wie geplant funktionieren werden auch die Mittwochsbeschlüsse obsolet.

    • @DiMa:

      Wir wissen doch beide, warum Dublin nicht funktioniert. Weil es den Aufwand einseitig auf Italien und Griechenland schiebt, denen Merkel/Schäuble in anderen Bereichen öffentlich unsolidarisch eins vors Schienbein gaben. Weil es eine nachgelagerte Arbeitsteilung erfordern würde, bei der einige rechte osteuropäische Staaten nicht mitmachen.



      Das wurde von Deutschland damals durchgedrückt, aber nicht ausreichend gestützt. Und dann wird durchmigriert.

      Schengen, also offene Grenzen im Innern, ist im übrigen ziemlich genau das Gegenteil von dem, was nach meinem Eindruck Ihnen vorschwebt?

      • @Janix:

        "Schengen" bedeutet nicht nur offene Grenzen im Inneren, sondern auch Grenzsicherung durch die Randstaaten. Das ist ganz genau, was mir vorschwebt.

    • @DiMa:

      Die Mittwochsbeschlüsse haben nicht die bessere Umsetzung von Schenken und Dublin zum Ziel, sondern eine Regierungsbildung im Stil von Österreich.

  • Ich glaube nicht, dass es den CSDU Leuten vdLeyen oder Weber wirklich Sorgenfalten auf die Stirn ruft, mit Faschos zusammenzuarbeiten. Sobald es um die eigene Karriere geht, den Profit der Wirtschaft oder einem Tritt gegen GRÜNE oder Linke sind die skrupellos genug, das achselzuckend und theatralisch Krokodilstränen heulend zu übergehen. Man sieht's ja....

    • @Perkele:

      Wenn es um die eigene Karriere geht, überholt Weber - Ursula v. d. Leyen locker aber sowas von rechts. Auf den skrupellosen CSU ler, sollte man unbedingt ein Auge haben....

  • An Dublin hält sich doch eh niemand und die Kommission sieht zu, so im Falle Italiens, das nahezu niemanden zurücknimmt. Und wer mit wem einen unverbindlichen Antrag im Parlament beschließt, geht Brüssel nun wirklich nichts an.

    • @In aller Ruhe:

      Das wirklich spannende in diesem Kontext ist, dass der von Ihnen beschriebene Bruch von Dublin durch diverse EU-Staaten (nicht nur Italien) hierzulande von niemandem adressiert wird. Ich verstehe das bei der AfD, denn eine Lösung des o.g. Problems würde die Rechtsaußen-Partei vermutlich massiv Stimmen kosten. Aber warum wird das von den demokratischen Parteien nicht angegangen?

  • Auch das war - noch - unverbindlich, war aber groß aufgeblasen worden von der Paniktruppe Merz'.



    Die gemeinsame EU-Lösung lag von Rot-Grün aus auf dem Tisch und ist nach gestern weniger wahrscheinlich geworden. Kann man auf das Wort des Vorsitzenden der CDU noch vertrauen?

    • @Janix:

      Das tut ja schon Timo Chrupalla auch nicht.

    • @Janix:

      Das kommt drauf an, was er sagt. Seine Beteuerungen, die Brandmauer bestehe solange, wie er noch in Berlin in politischen Ämtern sei, glaube ich schon. Bis zum Valentinstag wird sich da wohl nichts tun, auch wenn es dafür Anlaß gäbe. Aber in den zwei Wochen danach ...

      • @dtx:

        Merz muss wohl ausgewechselt werden, entweder für Kamikaze mit Rechtsaußen oder überhaupt eine Koalition mit einer demokratischeren Partei. Ich hoffe für unsere politische Landschaft, dass die CDU da so langsam vorbereitet ist. Wir bräuchten auch eine rechtsdemokratische Partei.

    • @Janix:

      Dem Vorsitzenden der CDU muss man misstrauen. Er macht gefährliche Politik.

      • @pesetenpaule:

        Ich differenziere gerne, auch hier. Die Union ist ein anderes Kaliber als die AfD, immer noch.



        Merz und Linnemann haben dabei die Oppositionszeit nicht genutzt, um Personal und Programm zu erneuern, wie es der frühe Kohl damals machte. Sondern um sich an Fossil, Auto, Springer und Nostalgie-Rechts zu schmiegen, alles überdeckt mit Redenschwingen und Grünenbashen.

        Der Scherbenhaufen ist unübersehbar, und das wäre weder Kohl, Schäuble, Merkel, AKK, Laschet so passiert.



        Die Union hat nur noch den Schrumpflindner an ihrer Seite und hat auch die Koalitionsstimmen nicht einfangen können. Söder irrlichtert unkontrolliert herum.



        Die Union ist eigentlich noch nicht lange genug in der Opposition.