Reaktionen auf Zuwandererdebatte: Kaum Widerhall im Osten
Die deutsche Politik erhitzt sich über Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien. Dort interessiert das Thema kaum.
SOFIA/BUKAREST taz | Die Debatte über sogenannte Armutseinwanderer aus Rumänien und Bulgarien, die die Sozialkassen plündern, stößt in Bulgarien bislang kaum auf Widerhall. Der bulgarische Botschafter in Deutschland, Radi Naidenow, sprach gegenüber der Welt von einer Hysterie, die für jeden negativ ist: „Diejenigen, die mit Vorurteilen spielen und populistische Argumente benutzen, schaden der europäischen Idee sowie uns allen als Ganzes.“
Er rechne nach dem 1. Januar 2014 nicht damit, dass noch viel mehr seiner Landsleute zuwandern. 120.000 Bulgaren lebten bereits in Deutschland, sagte er. Nur 0,9 Prozent von ihnen bezögen Sozialleistungen.
Georgi Minew, Journalist aus Sofia, erklärt die zurückhaltenden Reaktionen in seiner Heimat damit, dass die Menschen in Bulgarien derzeit schon genug eigene Probleme hätten. Zudem habe man sich an derart negative Stereotype bereits gewöhnt.
Auch rumänische Medien reagierten unaufgeregt. Sie begnügten sich etwa damit, britische Berichterstatter zu zitieren, die sich am Mittwoch auf Londoner Flughäfen begeben hatten, um die Einwanderungswütigen aus dem fernen Balkan zu zählen. Ergebnis: In einem mit 180 Plätzen ausgestatten in Rumänien gestarteten Flugzeug, das auf dem Flughafen Luton landete, befanden sich bloß 140 Rumänen. Diese lebten bereits in England, waren dort festangestellt und hätten es keineswegs darauf abgesehen, das britische Sozialsystem zu unterwandern.
Rumäniens Premier Victor Ponta hatte im Laufe des Jahres 2013 wiederholt darauf verwiesen, dass in den letzten 20 Jahren über 2 Millionen Rumänen ihr Land verlassen haben, um in EU-Ländern zu arbeiten. Dazu gehören fast 20.000 Ärzte und viele akademisch ausgebildete Kräfte, die in der Heimat fehlten.
Rumänien zählt zu den ärmsten Ländern der EU: Der Lohn beträgt dort im Schnitt rund 370 Euro, das monatliche Pro-Kopf-Einkommen nur 194 Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen