Reaktionen auf WHO-Krebsstudie: Ungebremste Fleischeslust
Auch wenn zu viel Aufschnitt Krebs erregen kann: Warnhinweise auf der Wurst wird es auch in Zukunft nicht geben.
Zusammen mit Asbest und Zigarettenrauch steht verarbeitetes Fleisch seit Montag auf der Liste krebserregender Substanzen. Zuvor hatte die WHO-eigene Krebsforschungsagentur IARC auf der Basis von 800 ausgewerteten Studien erklärt: Wer mehr als 50 Gramm Wurst oder Schinken am Tag isst, hat ein 18 Prozent höheres Risiko, Darmkrebs zu bekommen. Werden also bald Warnhinweise auf die Mortadella gedruckt, so wie auf Zigarettenschachteln?
Die Nachricht vom tödlichen Fleisch empört die Industrie. Beim Schutzverband Schwarzwälder Schinkenhersteller spricht man von unberechtigter Verunsicherung der Verbraucher. Wie um diese vorsorglich zu beschwichtigen, verkündete Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) am Dienstag: „Niemand muss Angst haben, wenn er mal eine Bratwurst isst!“ Er setzte aber nach: Es komme auf die Menge an, allzu viel sei ungesund.
Das ist hinlänglich bekannt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt seit Jahren, nicht mehr als 600 Gramm Fleisch pro Woche zu essen. An der Esskultur hat das nichts geändert, im Durchschnitt essen die Deutschen immer noch mehr Fleisch, als gut für sie ist.
Warnhinweise brauche es aber nicht, sagt DGE-Sprecherin Antje Gahl: „Die Produkte sind ja nicht per se schädlich. Es kommt auf die Ernährung insgesamt an – man müsste eher auf Bildungsarbeit setzen.“ Für Renate Künast, ehemalige Grünen-Fraktionschefin und Verfechterin des Veggie-Day, ist die WHO-Einschätzung Grund genug, erneut den Fleischkonsum zu diskutieren. „Unsere Gesundheit sollte es uns wert sein zu fragen, ob wir jeden Tag Fleisch essen wollen“, sagte sie der taz. Dabei gehe es vor allem auch um die billige Massenware.
Wie aber bringt man eine Nation zum Nachdenken, die der Fleischeslust verfallen ist? Eins ist klar: Warnhinweise wie auf Zigaretten oder Fotos von krebskranken Därmen wird es auf der Salami vorläufig nicht geben. Wie viel Fleisch verzehrt wird, entscheiden weiterhin Zeitgeist und Appetit.
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