Reaktionen auf Käßmann: Selbst ihr Rücktritt provoziert
Schadet Bischöfin Käßmanns Rückzug den Frauen? Ja, findet Alice Schwarzer. Margot Hauser: Vorbild für männliche Eliten. Nachfolger Scheider: Wir bleiben fortschrittlich.
Der Rücktritt von Margot Käßmann vom Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bewegt nicht nur Protestanten. Umstritten ist, wie stark der Rückhalt des Rates der EKD für Käßmann war, nachdem bekannt wurde, dass sie am Samstagabend angetrunken mit ihrem Dienstwagen an einer Kreuzung in Hannover über "Rot" gefahren war. Zudem machten in Kirchenkreisen Gerüchte die Runde, die Bild-Zeitung habe die bisherige Hannoversche Landesbischöfin mit bisher zurückgehaltenen Informationen über ihren Beifahrer unter Druck gesetzt.
Bestätigt wurde in den selben Kreisen, dass der Rat der EKD in einer Telefonkonferenz am Dienstagabend Käßmann einhellig abgeraten habe, zurückzutreten. Auch ihr kommissarischer Nachfolger und Vize Nikolaus Schneider, der Präses der Rheinischen Landeskirche ist, habe ihr dringend vom Rücktritt abgeraten. In protestantischer Tradition habe man ihr aber die Entscheidung überlassen.
Die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU, Maria Flachsbarth, bezweifelte jedoch, dass Käßmann tatsächlich hätte bleiben können. Sie sagte im Deutschlandfunk: "Ich hätte mir vorstellen können, dass Frau Käßmann auch in ihrem Amt verblieben wäre, obwohl das sicherlich sehr, sehr schwierig gewesen wäre. Denn sie wäre sicherlich immer wieder mit diesem Fehlverhalten, was nicht zu bagatellisieren ist, konfrontiert worden."
Zwiegespalten über den Rücktritt Käßmanns zeigten sich populäre Feministinnen. "Ich finde es falsch, dass sie diese dramatische Konsequenz gezogen hat. Falsch für uns Frauen, falsch für die fortschrittlichen ProtestantInnen in Deutschland - und falsch für sie selbst", schrieb Alice Schwarzer auf Spiegel online.
Monika Hauser von medica mondiale sagte der taz: "Margot Käßmann ist eine Persönlichkeit mit hoher Integrität. Ihr Rücktritt ist ein Modell für alle, die in der Öffentlichkeit stehen. Bei anderen Machteliten wie etwa den katholischen Bischöfen muss man immer lange warten, bis jemand zurücktritt."
Präses Schneider kündigte an, das politische Engagement von Margot Käßmann fortzuführen. Im Rückzug der fortschrittlichen Käßmann sehe er keinen Rückschritt für die Kirche, sagte er in der ARD. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Nachricht "mit Respekt und Bedauern aufgenommen", sagte ihr Sprecher Ulrich Wilhelm. Sie erklärte: "Ich habe die Zusammenarbeit mit Bischöfin Käßmann sehr geschätzt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken