Reaktionen auf Blatters Rücktritt: Erleichterung und Freude
Weltweit wird der überraschende Rücktritt von Fifa-Boss Blatter begrüßt. Das FBI hat wohl Ermittlungen gegen ihn aufgenommen.
Berichte der Zeitung New York Times und des Senders ABC legen den Schluss nahe, dass Blatter nur auf juristischen Druck – und eventuell sogar in einer Kurzschlussreaktion agiert haben könnte. Das FBI soll auch gegen ihn ermittelt haben. Das berichtete am Dienstag die New York Times unter Berufung auf Ermittler. Die Zeitung hatte in der Vorwoche die Verhaftungen von führenden Fußball-Funktionären als erste publik gemacht und den Anstoß zur neuen Eskalationsstufe der massiven Fifa-Glaubwürdigkeitskrise kurz vor Blatters dennoch geglückter Wiederwahl am Freitag gegeben.
Auch der US-Fernsehsender ABC hat die – sofern korrekt – für Blatter verheerenden Informationen und beruft sich auf Personen, die mit dem Fall vertraut seien. Einzelheiten, was die Ermittlungen ergeben haben oder ob sie andauern, wurden nicht bekannt. Das FBI weigerte sich die Berichte zu kommentieren. Doch sogar aus dem Blatter-Umfeld kommen Andeutungen. Die amerikanische Nachrichtenagentur AP zitierte dessen langjährigen Freund, Walter Gagg: “Ich hatte ein sehr gutes Treffen mit ihm heute früh. Dann kamen die anderen Informationen aus den USA mit diesem und jenem.“ Ein weiteres Indiz für unangenehme Nachrichten aus Amerika für Blatter.
Blatter selbst hatte seine Demission so begründet: „Meine tiefe Fürsorge für die Fifa und ihre Interessen, die mir sehr am Herzen liegen, haben mich zu dieser Entscheidung bewegt.“ Seine Tochter Corinne gab sich beim britischen Sender BBC als treibende Kraft für die Meinungsänderung aus – als Selbstschutz für ihren Vater.
Im skandalumtosten Fußball-Weltverband beginnen am Tag nach dem sensationellen Schritt die keineswegs leichten Weichenstellung für die Zukunft. Denn ohne Blatter steht die Fifa vor einer Zäsur, die der scheidende Chef selbst noch einmal dramatisierte. Mit einem Vorschlagskatalog für Reformen, die er selbst in 17 Jahren Regentschaft entweder nicht anfasste oder nicht durchsetzte, hinterlässt Blatter seinem Nachfolger innerhalb der Fifa-Strukturen ein ungeheuer schweres Erbe voller Konfliktpotenzial.
Ein kleineres Exekutivkomitee (Exko), statt eines größeren, wie es Blatter noch am Wochenende wollte. Eine Wahl der Exko-Mitglieder durch den Kongress, statt durch die Konföderationen. Ein ethischer Eignungstest der Kandidaten durch die Fifa statt die Kontinentalverbände. Und zu guter Letzt: Eine Amtszeitbeschränkung für Exko-Mitglieder und den Präsidenten. Nie wieder würde ein FIFA-Präsident mit der Macht regieren können, wie es Blatter tat.
Die Spekulationen, wer dieses Erbe antreten könnte waren sofort im Gange. Michel Platini, Blatters Rivale der vergangenen Monate ist ebenso reflexartig dabei wie der am Freitag besiegte Prinz Ali bin al-Hussein, der schon seine erneute Bewerbung in Erwägung zog. Der kurz vor der Wahl nicht angetretene Michael van Praag hält sich zunächst alles offen. Weiterer potenzieller Kandidat wären Ahmad al Fahad al Sabah aus Kuwait – ein mit allen Machtmitteln ausgerüsteter Funktionär, der auch IOC-Präsident Thomas Bach ins Amt half. Gewählt werden soll der neuen Fifa-Boss bei einem außerordentlichen Kongress, offenbar nicht vor Dezember.
Im deutschen Fußball gab es über die Notwendigkeit eines Neuanfangs keine zwei Meinungen. „Dies ist ein guter Tag für den Weltfußball“, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball. DFB-Boss Wolfgang Niersbach, der als Exko-Mitglied nun nicht mehr in der Bredouille steckt, unter Blatter dem Gremium gar nicht angehören zu wollen, sagte: “Das ist die Entscheidung, die absolut richtig ist, die überfällig ist.“ Sogar Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich erleichtert: “Ich habe gesagt, es ist ein Neuanfang notwendig, wenn der Fußball und die Fußballbegeisterung überleben sollen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!