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Reaktionen auf Amnesty-Beschluss„Ich bin schockiert“

Alice Schwarzer ist empört über den Beschluss von Amnesty International. Der Deutsche Frauenrat gibt den Menschenrechtlern recht.

Die Stellungnahmen zum Amnesty-Beschluss fallen sehr vielfältig aus. Foto: dpa

Berlin dpa/taz | Deutschlands bekannteste Feministin, Alice Schwarzer, 72, reagierte am Dienstag empört auf den Beschluss von Amnesty International. „Ich bin schockiert“, sagt sie gegenüber dpa. Amnesty sei einmal „eine sehr anerkannte Organisation für die Verteidigung der Menschenrechte“ gewesen. Jetzt aber wolle sie sich für die Legalität der Organisation der Sexarbeit einsetzen. Das bedeute, dass Frauenhändler, Zuhälter und Bordellbetreiber „unbehelligt ihrem Milliarden-Geschäft nachgehen können.“

Allein in Deutschland gebe es heute Hunderttausende von Frauen, vor allem sehr jungen Frauen, aus Armutsländern, überwiegend Osteuropa. Sie sprächen oft kein Wort Deutsch und würden von denen, die an der Prostitution Milliarden verdienen, als „Frischfleisch“ von Bordell zu Bordell, von Modelwohnung zu Modelwohnung verschoben, sagte Schwarzer. Ein Signal wie das von Amnesty bestärke die Frauenhändler und mache den Frauen das Leben noch schwerer.

Anders der Deutsche Frauenrat: Wenn Prostitution straffrei bliebe, würde das die Arbeitsbedingungen und den Schutz für Prostituierte verbessern. „Auch Prostituierte sollen sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber ihnen ein sicheres, angstfreies Leben ohne gesellschaftliche Ächtung ermöglichen will“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth.

Amnesty stärke mit dem neuen Kurs langfristig die Frauenrechte. „Prostitution ist erfahrungsgemäß durch Verbote nicht aus der Welt zu schaffen, vielmehr wird sie dadurch nur mehr in den Untergrund getrieben.“

Die Organisation Terre des Femmes veröffentlichte keine Reaktion auf die umstrittene Empfehlung, fordert aber in einem Grundsatzpapier ausdrücklich ein gesetzliches Verbot des Kaufs von Sex sowie Maßnahmen, die Prostituierte schützen.

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13 Kommentare

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  • Amnesty International ist auch für die Armutsbekämpfung bzw. für ein Vorgehen "Mit Menschenrechten gegen Armut":

    Quelle: https://www.amnesty.de/journal/2009/oktober/fuer-ein-leben-menschenwuerde

    Auszug: „Schließlich will unsere Kampagne erreichen, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte genauso vor internationalen Stellen einklagbar werden wie die politischen Menschenrechte. Das ist im Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über diese Rechte festgelegt. Es kann noch immer nicht in Kraft treten, weil noch Ratifizierungen ausstehen - unter anderem von Deutschland. Unser Ziel ist, dass alle Staaten dieses Protokoll unterzeichnen und ratifizieren.“

    Leider ist Deutschland immer noch dagegen: http://www.taz.de/!5211608/

    Wäre schön, wenn Frau Schwarzer sich hier einsetzen würde und auch deutlich darauf hinweisen würde, damit viel Armut beendet wird und somit auch Prostitution und Menschenhandel.

    • @Frederik Nyman:

      Ehrlicherweise schreibt AI dort (Ihr Link):

      "Um Missverständnisse zu vermeiden: Amnesty International sagt nicht, dass Armut selbst schon eine Menschenrechtsverletzung ist."

       

      Armut ist aber eine Menschenrechtsverletzung, weil Armut längst schon vollständig vermeidbar ist. Jedenfalls Armut in dem Sinne, wie wir sie im allgemeinen verstehen: Einkommensarmut. Und es ist bezeichnend, dass AI daran eben doch gar nichts ändern will.

      Andere waren da schon vor Jahrzehnten weiter, u.a. der Bürgerrechtler Martin Luther King: http://www.livableincome.org/aMLK-deutsch.htm

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Eric Manneschmidt:

        AI möchte doch eindeutig bei dem Thema Menschenrechte und Armut sensibilisieren. Da viele Bürger aus der Mittelschicht diese Verbindung nicht sehen, weist AI daraufhin. Korrekterweise hätten Sie daher vollständig zitieren müssen, so ist Ihre Schlussfolgerung diffamierend.

        Hier das vollständige Zitat:“ Um Missverständnisse zu vermeiden: Amnesty International sagt nicht, dass Armut selbst schon eine Menschenrechtsverletzung ist. Aber es gibt eine enge Verbindung: Armut ist oft die Folge von Menschenrechtsverletzungen, sie macht für Menschenrechtsverletzungen besonders verwundbar, und weitere Menschenrechtsverletzungen machen die Armut für die Betroffenen zum unentrinnbaren Schicksal.”

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Frederik Nyman:

      Frau Schwarzer geht mit Bild ins Bett bzw. mit der Springer Presse. Hat illegale Steueroptimierung betrieben und wird daher wohl kaum den Mächtigen ans Bein Pinkeln mit sozialen Forderungen nach Umverteilung und Steuergerechtigkeit hinsichtlich verfassungskonformer Vermögenssteuer und angemessener Besteuerung leistungsloser Einkommen (Erbschaften)! Frau Schwarzer ist eine Hypokritin par excellence.

  • @Irene Klar -

    psychologische Interpretationen

    bezüglich von Motiven zur Prostitution

    steht allein den Betroffenen zu.

     

    Was uns jedoch alle angeht, sind die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen

    zu analysieren, die Menschen zur Zwangsarbeit verpflichten, damit wir sie verändern können: die gesellschaftlichen Verhältnisse!

    Zitat B.Brecht: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral".

     

    Schließe mich der Forderung von Eric Manneschmidt nach einer repressionsfreienExistenzsicherung

    "für alle Menschen" an, weil

    eine solche erst Menschen Wahlfreiheit schenkt.

  • Oft gehen Menschen zu Prostituierten die ein, teilweise sehr, geringes Selbstwertgefühl haben, meiner Information nach. Der Umgang damit, indem man dann zu einer Prostituierten geht, ist in meinen Augen nicht lösungsorientiert und von Feigheit geprägt, zudem menschenverachtend. Außerdem finde ich es sehr wichtig, die Kontrollmöglichkeiten zu erhöhen, da heute auch vermehrt und immer mehr und auch immer früher Kinder prostituiert werden und das eben auch nicht nur von den typischen Zuhältern, sondern eben auch von ehemaligen Prostituierten genutzt wird. Wenn Prostituierte so selbstbewusst sagen, dass sie es freiwillig machen, stelle ich das trotzdem sehr in Frage, da in dieser Branche sehr viel mit Druck und Erniedrigung gearbeitet wird, oftmals eine Täter-Opfer-Identifizierung bei den Opfern stattfindet und eine ausreichende Individualisierung nicht erfolgt, eben weil es schon oft in der Kindheit beginnt. Amnesty International finde ich mittlerweile nicht mehr empfehlenswert, sehr fragwürdig und ich frage mich wer da alles an den Strippen zieht. Es wurde sich auch nicht ausreichend über die vielfältigen Auswirkungen frühzeitiger Prostitution, wie Persönlichkeitsstörungen, das Verwechseln von Wärme / Nähe und Sexualität, die Sehnsucht nach der Liebe eines liebenden Vaters einer liebenden Mutter, das Schönreden und Ausblenden von Gewalt usw. Auch lässt der Schmerz dieses Verlustes das Erkennen der Realität oftmals bei den Betroffenen nicht zu. Auch sie selber reden sich ein, dass alles in Ordnung ist, weil sie sonst nicht überleben könnten, sobald sie ihre Gefühle wirklich zulassen wollten. Und genau da muss adäquate Hilfe einsetzen!!!

  • Worüber ist Frau Schwarzer schockiert? Daß Prostituierte keine schwarzen Konten in der Schweiz haben?

  • Dem Grundproblem wollen leider weder Alice Schwarzer noch AI zu Leibe rücken:

    Dass Menschen ihre Haut zu Markte tragen müssen, um zu leben.

    In welcher Form und welcher Branche auch immer.

     

    Die Diskussion um die Legalisierung oder das Verbot von "Sexarbeit" ist insofern ein großes und widerliches Ablenkungsmanöver.

    Wie überall wird es Menschen geben, die diesen Job gerne und freiwillig machen, und solche, die dazu gezwungen sind, zumindest durch ihre sozialen Umstände (was also keine Problem unzureichender Strafverfolgung ist).

    Da wir aber alle irgendwie leben müssen, würde ein Bedingungsloses Grundeinkommen (für alle) auch aus dieser Diskussion richtig Druck herausnehmen.

     

    Dann könnten wir diskutieren, was für uns überhaupt "Arbeit" ist, aber auch, inwieweit die klassische Ehe Züge eines Deals von Sex und Fürsorge gegen Geld trägt. Und dergleichen mehr.

    • @Eric Manneschmidt:

      Alice schwarzer's Kommentare ...

    • @Eric Manneschmidt:

      In der Theorie großartig. Aber selbst, wenn man das BGE hätte, würden Alice Schwarzer & Co noch etwas an Prostituierten auszusetzen haben, ja, dann erst recht: Weil dann wären es keine Opfer mehr, sondern plötzlich Verräterinnen.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Wissen Sie was: damit könnte ich ganz gut leben. Bei all ihren früheren Verdiensten, gleitet mir die Dame Schwarzer zu sehr in eine penetrante Eingleisigkeit ab. Aber wenn ich es mir überlege, werde ich - gerade deshalb - Mitglied bei AI. Dann hat es doch noch was Gutes...

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Alice Schwarzer ist mir ehrlich gesagt herzlich egal.

        Sollte sie Ihnen auch sein.