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Razzia in Göttinger HochhausUnprofessionell und stigmatisierend

Kommentar von Franziska Betz

Die Kontrolle eines Hochhauses in Göttingen war gut gemeint. Doch Stadt und Polizei haben die Be­woh­ne­r*in­nen wie Ver­bre­che­r*in­nen behandelt.

Eingesperrt: Bereits vor vier Jahren waren die Be­woh­ne­r*in­nen der Groner Landstraße Opfer von polizeilichen Maßnahmen Foto: Swen Pförtner/dpa

E ine „Verbesserung der Lebensumstände“ sollte für die Be­woh­ne­r*in­nen erreicht werden. Das war das Ziel, das Stadt und Polizei Göttingen für ihren gemeinsamen Einsatz am Dienstag in der Groner Landstraße ausgaben. Doch so löblich das ist, so sehr hat das Vorgehen dieses Ziel verfehlt.

Mehrere hundert Be­woh­ne­r*in­nen durch mehrere Polizei-Hundertschaften morgens um sechs Uhr aus dem Bett zu reißen, führt zu keiner Verbesserung. Die hygienischen Zustände in einem Wohnhaus lassen sich anders überprüfen, da reichen ein Klemmbrett und ein Kugelschreiber.

Und Schädlingsbefall ermittelt man auch ohne martialisches Auftreten. Wenn der Stadt Göttingen wirklich etwas am Wohlergehen ihrer Einwoh­ne­r*in­nen liegt, dann hätte sie ihren Besuch angekündigt, wäre ausschließlich mit So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen gekommen und hätte die Menschen gefragt, welche Unterstützung sie sich wünschen.

Eine professionelle öffentliche Verwaltung muss in der Lage sein, die Lebensumstände der Be­woh­ne­r*in­nen ihrer Stadt auf andere Weise, als mit solch brachialen Methoden zu verbessern. Zumal die Menschen in der Groner Landstraße nicht zum ersten Mal Opfer polizeilicher Maßnahmen werden.

Der Einsatz ist kein Zufall

Spätestens nachdem ein Gericht entschieden hat, dass es nicht rechtmäßig war, im Sommer 2020 Hunderte Menschen dort festzuhalten, weil ihre Nach­ba­r*in­nen mit Covid-19 infiziert waren, hätte man den Einsatz von Dienstag überdenken müssen.

Und es ist auch kein Zufall, dass der Vorfall sich genau hier zugetragen hat. In dem Wohnkomplex wohnen viele Rom*­nja. Wie die Polizei sie behandelt, zeigt nach außen, dass es sich hier um Menschen handelt, bei denen es okay ist, sie wie Ver­bre­che­r*in­nen zu behandeln. Das macht den Einsatz unprofessionell und stigmatisierend.

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Volontär*in taz nord
Seit September 2022 Volontär*in bei der taz nord in Hamburg. Hat Politikwissenschaften und Transkulturelle Studien an der Uni Bremen studiert.
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1 Kommentar

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  • Nu ja, rechtzeitig zum internationalen Festtag hamse halt auch was beitragen wollen....



    Kotzenkönntma.