Rautenraub bei Springer: ### für ein Halleluja
Drei Rautenzeichen sollen nun etwas bedeuten – und zwar „meine Tweets sind frei“. Wie Springers "Welt Kompakt" einmal versuchte, das Internet zu regieren.

Die Macher der Axel-Springer-Tabloid-Zeitung Welt Kompakt haben sich ausgedacht, dass ### ab heute „meine Tweets sind frei“ bedeutet. Und zwar, um einen lästigen Streit über eine Rubrik auf ihrer Titelseite aus dem Weg zu räumen.
Dort nämlich druckt die Welt Kompakt täglich die „Tweets des Tages“ ab: Ein bis drei 140-Zeichen-Botschaften, von irgendeinem x-beliebigen Twitter-Nutzer. Während sich manche davon geadelt fühlten, legten andere Twitterer Protest gegen den Abdruck ein: Sie hätten dem Abdruck nicht zugestimmt.
Die Reaktion von Welt Kompakt: Weil ihnen die Beschwerden zu zahlreich wurden und Juristen ihnen sagten, dass der Schutz von Tweets in Deutschland juristisch noch nicht geklärt sei, stellten sie die Rubrik „Tweets des Tages“ Ende Februar ein.
Jetzt soll sie ein Revival erleben. Weil die Mehrheit der Leser sie wiederhaben wolle und die Welt-Kompakt-Redaktion selbst der „größte Fan dieser kleinen Rubrik“ sei.
Um sich aber urheber- und schutzrechtlich damit künftig abzusichern – Mutterverlag Axel Springer hat ja gerade erst der Regierung das Versprechen eines Leistungsschutzrechts ablobbyiert, da will man sich hier wohl keine Blöße geben – soll jeder drei Hashtags, also: ###, in seine Tweets schreiben, der mit einem Abdruck in der Welt Kompakt einverstanden ist.
Das zeugt von einer interessanten Selbstwahrnehmung und einem merkwürdigen Rechtsverständnis des abgespeckten Welt-Artikel- und Agenturmeldungen-Verwertungstabloids Welt Kompakt: Glaubt deren Redaktion tatsächlich, dass sie der gesamten deutschsprachigen Twitteria ihre selbst erfundenen Codes diktieren kann? Und: Lässt Springer die Regeln für digitale Urheberrechte jetzt qua Titelseite verlautbaren?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzlerwahl von Friedrich Merz
Wer hat ihn verraten?
Israels Pläne für Gaza
Es hängt an Netanjahu
NS-Geschichte und Appeasementpolitik
Hätte der Zweite Weltkrieg verhindert werden können?
Neuer Innenminister will Pushbacks
Dobrindt lässt Asylsuchende zurückweisen
Ex-Kanzler Olaf Scholz
Er wird als Zwischenfigur in die Geschichte eingehen
Sauerländer Friedrich Merz
Der Mann aus Arnsberg