Rassismus in der AfD: Rechts? Kein schlechter Begriff
Der Thüringer AfD-Fraktionschef gibt dem rechtsextremen Magazin „Zuerst!“ ein Interview. In Brandenburg kämpft die Partei mit Klischees über Juden.
HAMBURG taz | Das Cover des rechten Monatsmagazins Zuerst! weist extra darauf hin: „AfD-Wahlerfolg. Interview mit Björn Höcke, Spitzenkandidat in Thüringen“. Auf zwei Seiten des „Deutschen Nachrichtenmagazins“ – so der Untertitel – führt der nun Vorsitzende der Landtagsfraktion in Erfurt aus, dass „Denk- und Sprechverbote“ der „politischen Elite“ die „Problemlösungsfähigkeit des Landes“ verminderten.
„Das Interview in der aktuellen Ausgabe der rechtsextremen Zeitung ist ein Skandal“, sagt Steffen Dittes, stellvertretender Landesvorsitzender der „Linken“ in Thüringen. Im Landstagswalkampf hätte sich die „Alternative“ noch bürgerlich und demokratisch gegeben. Das Interview offenbare nun „das wahre Gesicht ihres Partei- und Fraktionsvorsitzenden“.
In dem Gespräch mit dem Magazin betont Höcke, dass sich die CDU unter Angela Merkel dem „Zeitgeist“ angepasst hätte. „CDU-Konservative“ für die dies „unerträglich“ sei würde er „herzlich empfangen“.
Die Redakteure der Zuerst! hinterfragen Höckes Aussagen kaum – etwa wenn der 44-jährige Oberstudienrat darlegt, dass die „demographische Frage“ nicht bloß die „sozialen Sicherungssysteme“, sondern auch die „europäische Kultur“ herausfordere, oder erklärt, dass „die Menschen aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimatländer“ verließen.
„Wir sehen uns selbst als dezidiert unideologische Partei“, betont Höcke indes, hebt aber zugleich hervor: „Rechts?“. Der Begriff sei nicht schlecht. „Der Rechtsanwalt ist ein honoriger Mann, wir umgeben uns gerne mit rechtschaffenen Menschen – dafür umso weniger mit linkischen“.
Gegenüber der taz verteidigte Höcke das Interview: „Ich gebe jedem ein Interview.“ Der Hintergrund der Zuerst! sei ihm nicht bekannt gewesen. „Aber ich stehe zu meinen Aussagen in dieser Zeitung. Ich habe gesagt, was ich immer sage.“
„Rekordverdächtige Fortpflanzung der Fremden“
Die Zuerst! warnt immer wieder vor „Ausländern“, Homosexuellen und „68ern“ und beklagt die Einflüsse der „jüdischen Lobby“. Das Magazin erscheint im fünften Jahrgang bei der Verlagsgruppe „Lesen & Schenken GmbH“ von Dietmar Munier aus Martensrade nahe Kiel. In der kleinen schleswig-holsteinischen Gemeinde ist der Verleger der größte Arbeitgeber. In Bahnhofskiosken, Lebensmittelketten und Zeitungsständen liegt das Hochglanzmagazin aus.
Die verlegerische Intention verschweigt Munier nicht: Mit der „zweifelsfrei rechten Zeitung“, sagte er dem Szeneportal „Gesamtrechts“, sollen in der Bundesrepublik die „ganzen Alt-68er, die am Drücker sitzen, ordentlich in die Zange“ genommen werden. Schließlich sei Deutschland gefährdet: durch „massenhafte Einwanderung“, „rekordverdächtige Fortpflanzung der Fremden“ und „Verlust der eigenen ethnischen Identität“.
2013 erreichte Munier vor Gericht, dass die Verlagsgruppe nicht mehr im Verfassungsschutzbericht des Landesamtes erwähnt werden darf. Ein Jahr zuvor hatten NDR und taz berichtet, dass bei einer Sonnenwendfeier von Munier der Holocaust-Leugner Ernst Zündel zu Gast war.
„Wer noch vor der Wahl glaubte, die AfD stehe nur für Euro-Kritik und mehr Bürgerbeteiligung muss spätestens jetzt erkennen: Die AfD ist eine Partei der Rechten“, sagt Dittes. Dies fände eine „neuerliche Bestätigung, wenn es jetzt aus den Reihen der AfD keine klare Distanzierung von Höcke“ gebe. Höcke war zuvor bereits durch seine Äußerung aufgefallen, dass wer den Muezzin hören wolle, ins Morgenland fahren solle.
Facebook-Posts gegen Juden
Indes machen rechte Umtriebe auch der AfD in Brandenburg zu schaffen. Jan-Ulrich Weiß, der für Stefan Hein in die Fraktion nachrücken sollte, hat auf seiner Facebookseite antisemitische Verschwörungstheorien und Hetze gegen den jüdischen Bankier Jacob Rothschild mit einer Karikatur im Stürmer-Stil verbreitet. Zudem hat der 39-Jährige einen Bericht mit dem Titel „Ex-V-Mann schmäht NSU-Verfahren als Schauprozess“ knapp mit „Mehr ist es auch nicht“ kommentiert.
Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Brandenburg, hat nun Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt: „Die bürgerliche Fassade der AfD bröckelt immer mehr“, sagt er. „Statt diejenigen zur Mandatsaufgabe zu bewegen, die wie Hein gegen Rechtsextreme in der AfD-Fraktion ankämpfen wollten, muss die AfD-Landtagsfraktion Weiß zum Mandatsverzicht auffordern“. Hein hatte auf sein Mandat verzichtet, da er den Spiegel über die rechte Vergangenheit von AfD-Abgeordneten informiert hatte.
„In meine Fraktion kommt er nicht“, sagte Gauland indes über Weiß. Er werde gegen diesen auch ein Parteiausschlussverfahren einleiten. Gauland sagte, die von Weiß verbreitete Karikatur habe ihn an das Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“ erinnert. „Das ist für ein Mitglied der AfD und einen unserer Mandatsträger völlig inakzeptabel! Ich bin entsetzt über das Verhalten von Herrn Weiß.“
Weiß will jedoch sein Mandat behalten. Die vier Abgeordneten mit rechter Vergangenheit bei der „Freiheit“, „Pro Deutschland“ und „Bund freier Bürger“ dürfen aber bleiben.
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