Diskriminierung in Frankreich: Haarige Angelegenheiten
Eine Gesetzesinitiative verbietet die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Frisuren oder Haarschnitte. Beispiele gibt es – häufig am Arbeitsplatz.
Initiator der Debatte und des Antrags war der Abgeordnete Olivier Serva aus dem Antillen-Departement Guadeloupe. Er erwähnt „haarige“ Benachteiligungen am Arbeitsplatz – wegen krauser Haare, Dreadlocks oder „Afro-Look“, von denen vor allem Schwarze betroffen sind. Auch Rothaarige oder Menschen mit Glatzen würden manchmal schief angesehen.
Namentlich Frauen mit Locken werde immer wieder angeraten, ihre Haare zu glätten, um so im Kundenkontakt einem anscheinend beruflich wünschenswerten Bild zu entsprechen. Das jedoch sei auch aus gesundheitlichen Gründen sehr gefährlich. Denn Frauen, die diese chemischen Produkte zur Haarglättung verwendeten, hätten neben anderen möglichen Nebenwirkungen ein dreifach erhöhtes Gebärmutterkrebsrisiko.
Zum Ausmaß dieser Diskriminierung gibt es in Frankreich bislang noch keine Statistik. Die Ombudsfrau für Bürgerrechte, Claire Hédon, schätzt den Anteil der Klagen aufgrund von Konflikten wegen Haaren auf etwa 2 Prozent aller Eingaben, die sie erhält. Doch konkrete Beispiele existieren.
Erfahrungen an der Rezeption
Gegenüber der öffentlichen Fernseh- und Rundfunkanstalt FranceInfo steuert Kenza Bel Kendil ihre eigene Erfahrung als Beleg dafür bei: „Ich habe krause Haare, die ich manchmal oben zusammenbinde und darunter offen trage. Ich arbeitete am Empfang eines Hotels in Nîmes, als mir der Direktor erklärte: 'Entweder du gehst nach Hause und änderst deine Frisur, oder du kommst nicht mehr zur Arbeit.“
In einem anderen Fall wurden die Eltern eines erst vierjährigen Schulkinds von der Schulleitung informiert, der „Afro-Look“ ihres Knaben wirke „schmutzig und vernachlässigt“. Der Abgeordnete Serva weiß aber auch von einer Umfrage in Großbritannien, in der eine von drei blonden Frauen sagte, sie müsse ihre Haare färben oder tönen, wenn sie beruflich weiterkommen wolle.
Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten wegen der Farbe oder Länge der Haare, respektive der Art, diese zu tragen, belästigen, sollen nun – wie bereits im Falle von Diskriminierungen wegen Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Alter ausdrücklich Strafen zu gewärtigen haben.
Die Ministerin für Geschlechtergleichheit, Aurore Bergé, wies in der Debatte darauf hin, dass die existierende Gesetzgebung bereits breit genug formuliert sei, um auch Benachteiligungen oder Beleidigungen wegen Frisuren zu erfassen. Sie erachte es jedoch als positiv, dass mit der Debatte über die Vorlage, die mit 42 zu 2 Stimmen angenommen und zur Debatte an den Senat weitergeleitet wurde, diese spezielle Form von Diskriminierung in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt