Rassismus im sächsischen Freital: Tillich schaltet sich ein
Immer noch wird in Freital gegen die Unterbringung von Asylbewerbern demonstriert. Ob ein Besuch des sächsischen Ministerpräsidenten hilft?
FREITAL dpa | Die Demonstranten sind enttäuscht. „Ich hätte mich gefreut, wenn er den Arsch in der Hose gehabt hätte und auch mal zu uns gekommen wäre“, sagt einer von ihnen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, aber seit Tagen gegen das Asylbewerberheim in Freital bei Dresden demonstriert. Er steht politisch sehr weit rechts und macht keinen Hehl daraus. Abend für Abend steht er hier. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) fährt in seiner schwarzen Limousine nur knapp an ihm vorbei, als er die Unterkunft besucht, die wegen der andauernden Proteste einmal mehr die Aufmerksamkeit auf eine wenig schöne Seite des Freistaats lenkt: die verbreitete Angst vor und teils offene Feindschaft gegen Ausländer.
„Das ist in den letzten Tagen in der Kommunikation nicht immer gut gelaufen“, sagt Tillich nach einem Gespräch mit Vertretern der Stadt, des Landrats und des Heimbetreibers. Gemeint ist wohl die „Nacht- und Nebelaktion“, wie es die Heimgegner nennen, in der aus dem früheren Hotel „Leonardo“ eine Außenstelle der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber wurde. Mit knapp 400 Plätzen inklusive der bereits zuvor vom Landkreis dort untergebrachten Flüchtlinge, mitten in einem Wohngebiet. Am vergangenen Montag wurde es verkündet, noch am Abend kamen die ersten Busse. Mittlerweile ist das Heim voll.
Freitals scheidender Oberbürgermeister Klaus Mättig (CDU) hat deshalb schon Drohungen erhalten. Auch diejenigen, die sich für die Flüchtlinge einsetzen, würden an Leib und Leben bedroht, sagt ein Mitglied des „Willkommensbündnisses Freital“. Die Frau lebt seit acht Jahren in der Stadt, und auch sie hat Angst, ihren Namen zu sagen.
Pegida ist in der Stadt stark, ihr Gründer Lutz Bachmann hat bei Facebook dazu aufgerufen, sich gegen die Unterkunft zur Wehr zu setzen. „Wenn es kein Konfliktmanagement gibt, dann sind solche Eskalationen vorprogrammiert“, meint die Frau vom Willkommensbündnis. Ob der Besuch des Ministerpräsidenten hilft? „Jetzt ist das Kind wohl schon ein bisschen tief in den Brunnen gefallen“, sagt sie achselzuckend.
„Es ist an uns“
„Wir werden den Informationsaustausch intensivieren“, kündigt Tillich an, ohne konkret zu werden. Auf die tagelangen Proteste und ihre Wirkung auf die Flüchtlinge geht er nicht direkt ein. „Völlig inakzeptabel sind aber Drohungen, Hetze und Gewalt gegen Bürgermeister und Landräte, die sich engagieren, für eine menschenwürdige Unterkunft zu sorgen.“
Ganz Europa stehe durch den „enormen Zustrom“ an Flüchtlingen vor großen Herausforderungen, auch Sachsen. Pro Tag gebe es 140 Neuankömmlinge. „Es ist an uns, ihnen hier in Sachsen Zuflucht zu gewähren“, sagt Tillich und betont, dass diejenigen, denen die notwendigen Voraussetzungen für eine dauerhafte Aufnahme fehlten, möglichst schnell wieder abgeschoben werden müssten.
Die drei Männer, mit denen er sich in einem Zimmer der Unterkunft unterhält, sind davon wohl nicht betroffen. Sie stammen aus Syrien und dürften als Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt werden. Dem Regierungschef ihres Zufluchtslandes erzählen sie von ihrem Weg raus aus Tod, Elend und Zerstörung. Ob auch die Proteste vor der Tür ein Thema waren, bleibt ein Geheimnis.
Der Demonstrant steht derweil mit seiner Fahne, die diagonal geteilt die deutschen und die russischen Farben zeigt – vor der Polizeiabsperrung in der Zufahrt zum Heim. Ihm geht es nicht nur um diese Unterkunft. Er sieht eine „verlogene Politik“, das deutsche Asylrecht und das, was er für einen Missbrauch durch Ausländer hält, insgesamt als Problem. Die linken Gegendemonstranten, die ebenfalls seit Tagen in Freital vor das Heim ziehen, sind für ihn nur das Ergebnis dieser Politik. Doch eines hätte ihn besonders an einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten interessiert, sagte er. „Wie er sich vorstellt, die Sache hier irgendwann mal wieder zu befrieden.“ Diese Antwort bleibt Tillich schuldig.
Die Proteste vor dem Freitaler Flüchtlingsheim dauern derweil an. Am Donnerstagabend hätten sich vor der Unterkunft in der sächsischen Kleinstadt etwa 100 Asylbefürworter und ebenso viele Gegner des Heimes versammelt, teilte die Polizei in Dresden mit. Ausschreitungen habe es keine gegeben.
Leser*innenkommentare
Laughin Man
@Anton Philips.
Das ist das Ergebniss jahrelanger Unterdrückung und verfehlter Bildungspolitik. Die dummen lassen sich halt leichter regieren. Blöd nur wenn Brot und spiele und suff nicht mehr langen um den Pöbel zu besänftigen. Aber ganz soo schlimm ist das ja auch nicht, es brennen ja "nur" Asylantenheime und nicht der Nobelbunker der Herren Politiker.
Micha Mille
Überall Bekloppte. Unsere (scheinbar?!) friedliche Demokratie wird von verschiedenen Seiten ausgehölt. Von extremen Linken, Rechten und geldgeilen Säcken. Der gesunde Umgang miteinander geht flöten. Nur... wie lösen wir das Problem? Ich könnte kotzen.
anton philips
"Mit knapp 400 Plätzen inklusive der bereits zuvor vom Landkreis dort untergebrachten Flüchtlinge, mitten in einem Wohngebiet."
Aha - Lösung ist dann einfach. Lasse die Flüchtlinge doch im Wald leben.
DAS SIND MENSCHEN DIE HILFE, UNTERSTÜTZUNG UND VERSTÄNDNIS BENÖTIGEN.
Was sind das für Barbaren die auf die Strasse gehen um gegen hilflose Menschen wie diese zu wettern?
nzuli sana
Die Bürgerwehr dort hat bereits Menschen durch den Ort gejagt und verletzt.
Wie kann diese völkische Wahnidee verschwinden?
Celsus
Und noch eine Kleinigkeit: Ich hoffe, dass der Ministerpräsident die richtige Entscheidung trifft und die MIttel für Aussteigerprogramme aus dem Rechtsextremismus in seinem Land ebenso aufstockt wie die MIttel für ASussteigerprogramme aus dem Islamismus.
Ansonsten hoffe ich in Abstimmung mit Frankreich und anderen Ländern ein hartes militärisches Vorgehen gegen den IS.
Celsus
Ich bin vehementer Gegner des widerlichen Rasismus, der da in Freital zum Ausdfruck kommt. Allerdings denke ich gerade an die Enthauptung eines Franzosen, den Sie in zwei taz-Kommentaren als koordiniert mit den Vorgängen in Kobane ansehen. Ich hatte da shcon die Frage nach dem Täterwissen gestellt, die das erfordern würde.
Einen Teil der Schuld an den Vorgängen in Freital tragen sicherlich auch die widerlichen Taten in Frankreich und anderen Orts. Aber zum Glück sind es entegegen der Meinung der Demonstranten nur wenige Fanatiker und die Mehrheit der Flüchtlinge ist unschuldig, friedlich und wirklich verfolgt.
nzuli sana
schauen Sie noch mal auf den Artikel mit dem Bericht:
IS-Angriff auf Kobanê 120 Tote http://taz.de/IS-Angriff-auf-Kobani/!5207168/
In meiner Stadt gibt es morgen dagegen eine Demonstration mit Aufruf zur praktischen Unterstützung der Angegriffenen.