Rassismus im norwegischen Fußball: Pfeifen gegen den Schiri
Svein-Erik Edvartsen, einer der besten Referees Norwegens, wurde von Kollegen gemobbt. Eine Mischung aus Neid und Rassismus.
Im Mittelpunkt steht mit dem 37-jährigen Svein-Erik Edvartsen ein Referee, für den das Jahr 2017 eigentlich der bisherige Höhepunkt seiner Karriere sein sollte. Rein fachlich gilt der seit mehr als zwölf Jahren Aktive als mindestens zweitbester Schiedsrichter seines Landes, der zudem seinem Traum, auch international pfeifen zu dürfen, Ende März näher kam: Er durfte das WM-Qualifikationsspiel Bosnien-Herzogowina gegen Gibraltar leiten.
Vor dem Match dankte Edvartsen explizit „meinem Mentor Rune Pedersen“, dem ehemaligen Chefschiedsrichter, „ohne den ich das alles nicht erreicht hätte“. Drei Tage später wurde genau dieser Rune Pedersen vom derzeitigen Schiri-Chef als Edvartsens Mentor ab- und durch ihn selbst ersetzt. Außerdem wurde Edvartsen suspendiert und darf seither keine Spiele mehr in Norwegen pfeifen. Warum, blieb unklar.
Dass er sich jederzeit bedingungslos vor seinen Schützling gestellt hätte, kann man Pedersen jedenfalls nicht vorwerfen, es gibt lauter Belege, dass der Mentor ihn bei schlechten Leistungen öffentlich und durchaus harsch rügte, wie jeden anderen auch.
Edvartsen ist Anfeindungen gewohnt
Nachdem sich Edvartsen nun in einem Interview über seine Suspendierung beschwerte und hinzufügte, keinerlei Begründung erhalten zu haben, eskalierte die Sache erst richtig. Der Fußballverband veröffentlichte eine anonyme Umfrage unter Edvartsens Kollegen, wonach diese kein Vertrauen zu ihm hätten. Konkrete Gründe wurden allerdings nicht genannt.
Hass und Anfeindungen sind für Edvartsen nichts Neues: 2011 wurde er vom Marketingchef des norwegischen Erstligisten Start in Anspielung auf seine Herkunft als „Tandoori-Dommer“, Tandoori-Schiedsrichter bezeichnet, der „einen anderen Job suchen und vor allem die Gewürze vor seinen Augen wegnehmen sollte“.
Edvartsens Vater ist der Sohn von ursprünglich nach Kanada ausgewanderten Pakistanern, seine Mutter Norwegerin. Schon lange gibt es auf Facebook Hassgruppen gegen den Referee. Eine heißt übersetzt „Schiedsrichter Edvartsen raus aus Fußball-Norwegen“. 2013 hatte der sportpolitische Sprecher der rechtspopulistischen Fremskrittparti, Øyvind Korsberg, den Schiedsrichter nach einer umstrittenen Entscheidung auf Twitter des „Kampfiksing“, also des Wettbetrugs, beschuldigt. Er entschuldigte sich erst, als Edvartsen einen Anwalt eingeschaltet hatte.
„Dies hier ist nicht Nordkorea“
Ähnlich offensiv konterte der als ehrgeizig und eloquent bekannte Edvartsen, hinter den sich interessanterweise einige Vereine stellten, auch seine Suspendierung und verlangte öffentlich eine Erklärung. „Dies ist ein Land, in dem die Meinungsfreiheit ein hoch respektiertes Gut ist und Unterschiede respektiert werden“, unterstützte ihn Morten Pedersen Ende April in der Tageszeitung Dagbladet. „Dies hier ist nicht Nordkorea.“
Edvartsen sei der Erste, der es gewagt habe, „die Machteliten im Fußball- und im Schiedsrichterverband herauszufordern, indem er einfach nur darauf beharrte, eine sachliche Begründung für deren Entscheidung zu bekommen“, schrieb auch der bekannte Sportblogger Kjell-Ola Kleiven.
Edvartsens Gegner in den Verbänden haben erkennbar wenig Interesse daran, den Konflikt zu lösen. Dies könnte auch daran liegen, dass ein weiterhin suspendierter Referee kaum Chancen hat, bei den nächsten WM-Qualifikationsspielen eingesetzt zu werden.
Dazu könnten handfeste finanzielle Überlegungen kommen: Pro gepfiffenem Eliteserien-Match bekommen Schiedsrichter umgerechnet rund 3.300 Euro, das ist auch im sechstreichsten Land der Welt für die dort nebenberuflich tätigen Schiedsrichter nicht eben wenig Geld. Am 2. Mai gab der Fußballverband immerhin bekannt, dass man einen Friedensvermittler einsetzen werde. Er heißt Sven Mollekleiv und ist Präsident des Norwegischen Roten Kreuzes. Der Ernst der Lage scheint immerhin erkannt worden zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja