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„Rassen“-Debatte in FrankreichGuter Wille, fehlende Stimmen

Ein antirassistisches Wahlversprechen stellt Präsident François Hollande vor Probleme. Denn auf die Opposition kann er sich nicht verlassen.

Francois Hollande will allen Franzosen die Hand reichen Bild: dpa

PARIS taz | „In unserer Republik gibt es keinen Platz für die Rasse, darum werde ich nach den Präsidentschaftswahlen verlangen, dass das Wort Rasse aus unserer Verfassung gestrichen wird.“ Das erklärte im März 2012 der damalige Kandidat François Hollande auf seiner Wahltour vor Anhängern in den französischen Antillen.

Der Applaus war ihm dort sicher. Denn die in Guadeloupe, Martinique oder Guyana lebenden Franzosen und Französinnen, die mehrheitlich von ehemaligen Plantagensklaven abstammen, wissen sehr wohl, welche Erniedrigungen ihre Vorfahren im Namen der Rasse erleiden mussten. Und heute noch sind sie wie andere Mitglieder ethnischer Minoritäten Opfer rassistischer Vorurteile und Diskriminierungen.

Nur Hollandes Wahlgegner, Expräsident Nicolas Sarkozy, wagte es, das Wahlversprechen als „absolut lächerlich“ und demagogisch infrage zustellen. Die noch kurze Geschichte von Hollandes Präsidentschaft scheint dem abgewählten Sarkozy zumindest halbwegs recht zu geben.

Sein sozialistischer Rivale ist seit rund 14 Monaten im Amt, aber das verpönte Wort „Rasse“ steht immer noch in der französischen Verfassung. Dabei gilt das anthropologische Konzept hinter dem Rassebegriff für die Wissenschaft längst als völlig überholt. Was für den Durchschnittsbürger wegen unterschiedlicher Hautfarben oder der Herkunft von verschiedenen Kontinenten weiterhin plausibel tönt und darum auch Bestandteil der Umgangssprache ist, hält den Erkenntnissen genetischer Analysen nicht stand.

Legitimation des Sklavenhandels

Zudem ist es fraglich, was die Definition von angeblichen Rassenunterschieden überhaupt soll, wenn damit nicht irgendwelche Ungleichheiten in der Behandlung gerechtfertigt werden müssen wie beispielsweise zur Zeit des Sklavenhandels, des Kolonialismus oder gar Verbrechen gegen die Menschlichkeit totalitärer Mächte wie die „Endlösung“ Nazideutschlands.

Frankreich kämpft nicht nur mit aktuellen Formen des Rassismus, es steckt selber auch noch in seiner Vergangenheitsbewältigung. Es war ein Franzose, Arthur de Gobineau, der mit seinem „Essai sur l’inégalité des races humaines“ 1853 den theoretischen Grundstein für die Auswüchse der Rassentheorien der Nazis legte.

Wer in den Menschenrechten nicht bloß eine Parole sieht, kann kaum einen Grund haben, sich der Streichung eines völlig überflüssigen Begriffs zu widersetzen, der stets der Rechtfertigung von Dünkeln und Verfolgungen gedient hat. Hollande und seinen Freunden war natürlich von Anfang an klar, dass mit dem Wort Rasse nicht auch gleich der Rassismus verschwinden würde.

Im Gegenteil: In Frankreich nimmt die Zahl rassistischer Aggressionen sogar zu. Unterschätzt hatte Hollande aber die Schwierigkeit, sein Wahlversprechen auf dem Rechtsweg zu verwirklichen. Ein Federstrich genügt da eben nicht.

Kein Paktieren mit der Opposition

Für eine Verfassungsänderung braucht es zuerst die Zustimmung der Nationalversammlung und des Senats, dann die definitive Annahme durch die zum Kongress vereinigten Kammern mit einer Dreifünftelmehrheit. Über diese qualifizierte Mehrheit verfügt Hollande nicht.

Von der eventuellen Hilfe einiger Stimmen aus dem Lager der bürgerlichen Opposition möchte er sich für eine solche Retusche der Verfassung nicht abhängig machen. Darum ist die Verbannung des Rassebegriffs aus dem Grundgesetz – und eine Reihe anderer Versprechen wie das Ausländerstimmrecht auf kommunaler Ebene – auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Damit sich Hollande nun deswegen nicht des Wortbruchs beschuldigen lassen muss, hat er von den Abgeordneten in der Nationalversammlung Mitte Mai eine Regierungsvorlage verabschieden lassen, die als Zeichen seines guten Willens vorsieht, aus rund zwanzig Gesetzestexten (darunter im Strafrecht) das politisch unkorrekt gewordene Wort zu streichen.

Das ist zwar ein Alibi, aber wenigstens ein erster Schritt. In dieser Vorlage, die noch den Segen des Senats braucht, steht wie ein Bekenntnis: „Die französische Republik verbietet und verurteilt den Rassismus, den Antisemitismus und die Xenophobie. Sie anerkennt nicht die Existenz angeblicher Rassen.“

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8 Kommentare

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  • M
    Marcus

    Es ist also mal wieder nicht was nicht seien darf. So unsinnig und vor allem chauvinistis die ganze Rassentheorie war so unsinnig ist es auch einen Begriff zu verbanen der etwas bezeichnet ohne einen Ersatzbegrif zu haben. Es gibt nunmal ganz ofensichtliche Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Abstammung, sei dies die Hautfarbe oder der Körberbau. Ob es auch unterschiede in Wahrnehmung und Persönlichkeit gibt ist aufgrund individueller Unterschiede und mangelnder Forschung nicht zu erkenne. Dennoch muss es schon für die simplen Körperlichen Unterschiede ein Bezeichnung geben. Diese darf nicht wertend sein aber es muss sie geben, denn nur weil das Wort grün abgeschaft würde, währe die Farbe nicht inexistent.

  • X
    Xhain

    Also mal ganz ehrlich: Wenn ich mich recht an die Statistik entsinne, sind kaum Flüchtlinge in Friedrichshain-Kreuzberg untergebracht. Warum? Statt sie dem deutschen Mob auszuliefern könnten statt Luxusbauten mal angemessene Unterkünfte gebaut werden. Flüchtlinge statt Touristenhorden!

  • D
    D.J.

    Dachte zuerst, Herr Balmer hätet etwas durcheinandergebracht. Aber im Entwurf stehht tasächlich "interdit" - "verbietet".

     

    racisme interdire - O.K.; antisémitisme interdire - O.K.,

     

    xénophobie interdire - hääää?

     

    "xenos" griech. "der Fremde"; "phobein" "die Furcht". Fremdenfurcht bekämpfen, O.K., aber verbieten???

     

    Enspricht aber durchaus meinem und meiner franz. Freunde Bild von Hollandes intellektuellen Fähigkeiten.

  • B
    Bastler4711

    "In Frankreich nimmt die Zahl rassistischer Aggressionen sogar zu."

     

    Das hat sich dann ja gottseidank erledigt, wenn das pöse, pöse Wort aus den Gesetzen/Verfassung entfernt wird.

     

    SWchliesslich leiden die Menschen vor allem an den Wrten, offensichtlich weniger als an der realen Unterdrückung, and dem tatsächlichen Rassismus.

     

    Doch wenn es das Wort 'Rasse' nicht mehr gibt, gibt es auch keine Rassismus mehr.

     

    Problem gelöst! Danke Linke!

    • @Bastler4711:

      Artikel gelesen?

       

       

       

      "Hollande und seinen Freunden war natürlich von Anfang an klar, dass mit dem Wort Rasse nicht auch gleich der Rassismus verschwinden würde."

       

       

       

      Natürlich nicht - aber man setzt ein wichtiges Zeichen und trägt so dazu bei, dass mehr Leute sich Gedanken darum machen, warum Rassismus falsch, dumm und ekelhaft ist!

       

       

       

      Als der Deutsche Bundestag im Jahr 2000 das bis dato gültige elterliche "Züchtigungsrecht" durch das Recht auf gewaltfreie Erziehung ersetzte - wurde damit die körperliche und seelische Gewalt von Eltern gegen ihre Kinder beseitigt?

       

       

       

      Natürlich nicht - aber man hat ein deutliches Zeichen gesetzt und so mit dazu beigetragen, dass mehr Leute sich Gedanken machen, warum Körperverletzungen und seelische Grausamkeiten als "erzieherische Maßnahmen" falsch, dumm und ekelhaft sind.

  • M
    Montherlant

    "In Frankreich nimmt die Zahl rassistischer Aggressionen sogar zu."

     

     

     

    Vollkommen richtig. Ironischerweise kommen diese allerdings nicht aus dem Lager, das hier bekäpft werden soll, sondern von ganz anderer Seite, die man lieber verschweigen möchte...

  • SD
    Stimme der Demokratie

    "In Frankreich nimmt die Zahl rassistischer Aggressionen sogar zu."

     

    Das stimmt. Die schrecken auch nicht vor Morden zurück. Ich meine z.B. Toulouse.

  • P
    Poultry

    In der französichen Verfassung taucht das Wort "Rasse" genau einmal auf. In Artikel 1 steht, die Republik "gewährleistet die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied der Herkunft, Rasse oder Religion". Die Vorschrift verbietet also rassistische Diskriminierung. Im Artikel steht, dass Minderheiten in Frankreich immer noch "Opfer rassistischer Vorurteile und Diskriminierungen" sind. Ob diese rassistischen Diskriminierungen dadurch aufhören, dass sie nicht mehr verboten werden?

     

     

     

    Hier der Text der Verfassung: http://www.assemblee-nationale.fr/deutsch/8cb.asp