piwik no script img

Raschel Katharina Höhnk testet auf ihrem Blog Kochbücher. Man muss nicht aus ihnen kochen, findet sie. Hauptsache, sie erzählen Geschichten„Kochbücher entführen dich“

Und jetzt: Schaumig schlagen! Foto: Ullstein Bild

Interview Jörn Kabisch

taz.am wochenende: Frau Höhnk, was macht ein gutes Kochbuch aus?

Katharina Höhnk: Ich habe vor ein paar Tagen eine entzückende Mail von einer Leserin bekommen. Die schrieb, eigentlich würde sie nicht gern kochen. Aber mein Newsletter würde es immer wieder schaffen, sie dazu zu bringen. Das ist genau das, was auch ein gutes Kochbuch ausmacht. Dass es auf irgendeine Weise an den Herd führt.

Ihre Webseite heißt valentinas-­kochbuch.de. Sie ist eine Insti­tution, um sich über Kochbücher zu informieren. Wie sind Sie auf die Idee dazu gekommen?

Damit angefangen habe ich, weil es mir Spaß gemacht hat, Kochbücher tatsächlich auch am Herd zu testen. Das war 2007. Inzwischen hat sich daraus ein Blog entwickelt, der zwanzig Mitschreiber hat …

und eine Lücke gefüllt hat. Denn Kochbuchrezensionen findet man selten in deutschen Magazinen und Zeitungen.

Auch das war damals eine Motivation. Angelsächsische Medien machen das mehr. Und ich habe damals mit Begeisterung die liebevollen Buchvorstellungen im „Gourmet“ gelesen. Dass das Magazin eingestellt wurde, verstehe ich bis heute nicht.

Heute testen Sie Kochbücher. Und prüfen, ob alle Angaben stimmen und die Rezepte kochbar sind.

Das auch. Aber ehrlich, ich finde es gar nicht so wichtig, ob die Rezepte eins zu eins nachvollziehbar sind. Es gibt da diese alte, immer wieder heiß diskutierte Frage: Muss man überhaupt aus einem Kochbuch kochen?

Muss man nicht?

Nein. Und warum soll man kritisieren, wenn sie anders genutzt werden? Auch Kochbücher entführen dich aus dem Alltag. Es gibt Menschen, die blättern abends im Bett darin oder schmökern auf dem Sofa. Vielleicht inspiriert die Lektüre nur dazu, überhaupt etwas zu kochen. Oder man nimmt eine Idee mit in die Küche und macht etwas anderes daraus. Daran ist doch nichts Schlechtes. Ich finde, es ist eine engstirnige Auffassung, sich durch ein Kochbuch durcharbeiten zu wollen und es nur danach zu beurteilen, ob das Essen gelingt.

Wonach denn sonst?

Ob es eine gute Geschichte erzählt. Als ich mit dem Blog angefangen habe, war das noch anders. Damals wurden die Autoren kleingeschrieben und kaum gezeigt. Dabei sind es doch die Menschen, die was zu erzählen haben. Gute Kochbücher sind deshalb auch Lesebücher.

Ein Rezept als Erzählung: Klingt poetisch.

Rezepte sind wie Sprache. Die Zeit verändert sie, jedes wächst aus dem anderen heraus. Sie entstehen ja nicht im Vakuum, sondern sind das Ergebnis des Ringens mit Zutaten, Zubereitungsweisen oder einem bestimmten Geschmack, den der Koch sucht. Wenn der Autor auch davon etwas in das Rezept einfließen lassen kann, wenn Empathie ins Spiel kommt, dann wird die Sache erzählerisch. Ich finde es sogar schön, wenn in Kochbüchern auf andere Bezug genommen wird. Ich frage mich dann beim Lesen, welche davon ich in meiner Bibliothek habe, schlage darin nach – und so verführt mich ein Buch, wieder andere Kochbücher in die Hand zu nehmen.

Wie viele haben Sie denn?

Foto: Mark Garner
Katharina Höhnk

45, ist Onlineredakteurin und Bloggerin. Seit 2007 betreibt sie valentinas-­kochbuch.de. Sie freut sich auf „Home Baked“, das neue Buch von Yvette van Boven.

Etwa 600. Ich bin keine klassische Sammlerin.

Ich habe vielleicht 40.

Das ist ja nichts. Ich kenne Menschen, die besitzen über tausend.

Welche Rezepterzähler mögen Sie am liebsten?

Nigel Slater fällt mir als Erster ein. Er macht dich als Nachköchin souverän, indem er dir nicht einfach Handlungsschritte vorgibt, sondern vor allem sagt, worauf man achten soll, auch wenn es kleine Dinge sind.

Zum Beispiel?

Pinienkerne rösten. Pinienkerne brennen ganz leicht an. Es ist ein guter Tipp, am Herd zu bleiben und sich auf die Pfanne zu konzentrieren.

Rezepte nehmen heute kaum mehr als eine Seite in einem Buch ein. Sie zu schreiben ist also gar nicht so leicht.

Man muss die Kunst des Weglassens beherrschen. Und gleichzeitig daran denken, welche Fehler dem Leser unterlaufen können. Was mir in deutschen Kochbüchern zum Beispiel oft fehlt, ist die Konsistenz und das Aussehen von bestimmten Zwischenergebnissen. Weiß der Leser zum Beispiel, wie es am Ende aussehen muss, wenn man Eier und Zucker schaumig schlägt? Darauf achten gute Autoren wie Nigel Slater oder in Deutschland Nicole Stich.

Gerade ist Buchmesse. Können wir uns auf gute Kochbücher freuen?

Absolut. Ich glaube, es wird eine gute Saison.

Poesie „Rezepte sind wie Sprache. Die Zeit verändert sie, jedes wächst aus dem anderen heraus“

Was sind denn die Trends?

Auf die schau ich dabei nicht so sehr. Im Augenblick ist der Markt in Deutschland sehr gesundheitsgetrieben. Ob Paleo-­Küche, Clean Eating oder auch auf der veganen Seite. Hedo­nistische Bücher sind auch in dem Segment eher die Ausnahme. Ich finde das Gesundheitliche gar nicht so wichtig. Wenn man schon selbst kocht, dann ist das doch ziemlich gesund. Für mich sind Küchen interessant, die ­einen kulinarischen Gewinn bringen. Über die Verwendung von Nüssen etwa habe ich aus einigen veganen Büchern etwas mitnehmen können.

Rezepte findet man inzwischen auch ohne Ende im Netz. Haben Kochbücher denn weiter eine Zukunft?

Erst mal ja. Das Segment hatte in den vergangenen Jahren immer zweistellige Zuwachsraten, 2013 waren es sogar 16 Prozent. Und immer mehr Verlage entdecken den Markt. Ich finde es aber schwierig, das für die nächste Generation zu beurteilen, die viel digitaler aufwächst.

Das Netz ist also gar keine Konkurrenz?

Nein, die beiden Welten geben sich zur Zeit gegenseitig Energie. Wir habe beispielsweise viele Leser, die haben die Kochbücher schon, lesen aber trotzdem gern die Rezensionen auf valentinas-­kochbuch.de, weil es ihnen neu Appetit macht. Meine These ist: Gerade die Möglichkeiten, die das Netz bietet, miteinander ins Gespräch zu kommen, haben den Kochbuchmarkt belebt.

Die Essecke: Jörn Kabisch befragt auf dieser Seite jeden Monat Praktiker des Kochens. Außerdem im Wechsel: Philipp Maußhardt schreibt über seinen offenen Sonntagstisch, Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, und unsere KorrespondentInnen erzählen, was man in ihren Ländern auf der Straße isst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen