Rapper Yunus über Leben in Hannover: „Ist halt so Niedersachsen“

Yunus lässt sich von Hannovers Kaschemmen inspirieren. „Rapper mit der Bratsche“ darf man sagen, die Sache mit dem Pur-Partymix will er klarstellen.

Yunus, ein junger Mann mit blondierten, kurzen Haaren, Brille und Kapuze auf dem Kopf

Hat in Hannover Bratsche studiert: Yunus Foto: Patrick Slesiona

taz: Yunus, wie schmeckt Malibu-Cola?

Yunus: Sehr, sehr süß. Das ist ja quasi dieser Kokoslikör gemischt mit Cola.

Flockt der Likör dann nicht supereklig aus? Wie Sojamilch in Kaffee?

Nee, das ist einfach braun.

Sie haben einen Song „Malibu-Cola“ genannt. Was verbinden Sie damit?

In dem Song geht es quasi um mein Aufwachsen in Fürstenfeldbruck, einer Kleinstadt bei München. Ich bin aufgewachsen in einem Kosmos, in dem alles ums bayrische Bier ging. Als Jugendlicher wurde sich sehr viel über Bier definiert, über Augustiner und Tegernseer und ich habe irgendwann angefangen, weil ich immer rebellieren wollte, komische Getränke zu trinken, die ein bisschen weird sind. Aber ich habe jetzt auch nicht auf jeder Party Malibu-Cola getrunken.

Jugendsünde, aber kein Lieblingsgetränk?

Ja, genau. Es ist eher so, dass wenn ich jetzt Konzerte spiele, im Backstage dann Malibu und Cola stehen und ich finde das dann auch süß, kann mich aber nur bedingt drüber freuen.

26, heißt eigentlich Johannes Berger. Der Rapper hat in Hannover einen Bachelor in Jazz-Bratsche gemacht und 2019 die EP „Es ist nicht das, wonach es aussieht, Mutter“ rausgebracht. Auch im Podcast „Unnatürlich Blond“, den er seit September jeden zweiten Mittwoch mit Philipp Potthast veröffentlicht, dreht sich alles um Musik.

Es schmeckt halt scheiße?

Ja, leider nicht so gut. Es gibt aber noch schlimmere Getränke.

Haben Sie während Ihres Musikstudiums in Hannover mal Lüttje Lage getrunken?

Tatsächlich ist das an mir vorbeigegangen.

Glück gehabt. Sie rappen darüber, dass Sie unbedingt aus Bayern weg wollten. Warum dann nach Hannover?

Ich mag die Stadt. Wenn ich in der Südstadt aufgewachsen wäre, hätte ich vielleicht auch ein anderes Verhältnis zu Hannover als jetzt, wo ich in der Nordstadt und in Linden als Student in einer Künstlerbubble gelebt habe. Mein Problem mit Bayern kommt daher, dass ich als Kind dorthin gezogen worden bin. Meine Familie hat vorher in der Nähe von Berlin gelebt. Das war für mich ein großer Kulturschock.

Warum?

Wir sind in einen Vorort von München gezogen und ich habe immer gemerkt, dass ich dort nicht hingehöre. Da, wo ich aufgewachsen bin, in diesem Speckgürtel von München, ist alles sehr perfekt. Eine Bilderbuchsiedlung direkt an einem Feld. Es wird immer versucht, das bloß nicht zu beschädigen. Das hat mich immer genervt.

Und wie nehmen Sie Niedersachsen wahr?

Was ich sehr schätze, ist diese Unaufgeregtheit. Niedersachsen ist halt so Niedersachsen. Nach Hannover zieht niemand wegen der Stadt. Alle Menschen um mich herum hatten faktisch etwas zu tun, ein Ziel. Es gibt da wenig Blender. Das ist auch der Unterschied zu Berlin. Dahin zieht man wegen der Stadt und, um gesehen zu werden.

Und um im Studium zu feiern. Geht das in Hannover?

Klar, bei 90er-Jahre-Partys in der Faust oder am Ruby-Tuesday im Café Glocksee. Und wenn Leute krasse Technopartys haben wollen, gibt es das auch, aber es ist nicht Berlin. Feiertechnisch ist Hannover eher provinziell angehaucht.

Sie haben in Ihrem neuen Podcast in der Rubrik „Unangenehm ehrlich“ gestanden, dass Sie keinen Techno mögen. Wäre nicht die größere Offenbarung, dass Sie als Rapper Pur hören?

Dieses Pur-Thema verfolgt mich. Ich habe eine Vorliebe für so deutsche Rockmusik-Schlager-Geschichten. Während ich Musik studiert habe, habe ich angefangen, Freunde von mir aus der Reserve zu locken, indem ich gesagt habe, ich sei großer Pur-Fan. Dabei kannte ich nur „Lena“ vom Pur-Partymix. Irgendwie hat sich das dann verselbstständigt. Vor zwei, drei Jahren habe ich sogar Karten fürs Pur-Konzert zu Weihnachten bekommen. Aber jetzt können wir das vielleicht ein für alle mal klären: Ich mag Pur, die bleiben sich treu, aber ich bin jetzt nicht Pur-Verfechter.

So oder so, so eine Aussage gibt Ihnen jetzt nicht unglaublich viel Streetcredibility

Wenn man in der Nähe von München aufgewachsen ist, Bratsche studiert hat, aus dem Poetry Slam kommt und aussieht wie ich, ist Streetcredibility sowieso ein Begriff, mit dem ich nicht dienen kann und mit dem ich nicht dienen möchte.

Trotzdem liegen Ihre Wurzeln im Battle-Rap. Wie verirrt sich ein Spargeltarzan mit Bratschenunterricht da hin?

Das, wo ich am meisten herkomme, ist Hip-Hop, Deutschrap. Und es gab 2011 ein Format, das Videobattleturnier, bei dem sich Dudes wie ich, die irgendwelche Vorstadtkids waren, gegenseitig auf Beats beschimpfen konnten.

Wie genau läuft so was ab?

Man konnte auf einer Internetseite seine Qualifikation einreichen, ein einminütiges selbstgedrehtes Rapvideo. Dann wurden Paarungen ausgelost und ein Instrumental ausgesucht. Danach hatte man eine Woche Zeit, um den Text zu ­schreiben und ein Video aufzunehmen, bevor die Jury entschieden hat, wer gewinnt.

Stört es Sie manchmal, dass Männer im Hip-Hop oft so einen auf hart machen müssen?

Ich finde es schwierig, wenn Leute Hip-Hop kritisieren, die wenig Ahnung von der Musikrichtung haben. Leute, die die Sprache nicht sprechen und nicht verstehen, woher das kommt, sich aber darüber erheben und sagen, das sei ein falsches Männlichkeitsbild. Natürlich ist das so, aber deutscher Hip-Hop ist so vielschichtig, dass mir das manchmal zu simpel ist.

Wie hilfreich ist es für Sie im Hip-Hop, dass Sie ausgebildeter Musiker sind?

Ich glaube, das steht mir manchmal sogar eher im Weg. Ich musste mich nach meinem Studium von der musikalischen Ausbildung frei machen. Es geht nur um den Song, den Vibe, den Text, Melodien. Ich will damit nicht kompositorisch das Feuilleton begeistern.

Ihre Musik hört sich nicht an, als wäre sie gesampelt. ­Schreiben Sie alles selbst?

Ja.

Nervt es Sie manchmal schon, dass Sie von außen als der Rapper mit der Bratsche wahrgenommen werden, oder kämpfen Sie noch darum, überhaupt von außen wahrgenommen zu werden?

Nein, das nervt mich gar nicht. Ich bin gern der Rapper mit der Bratsche. Das ist eine Farbe, die ich in meine Musik mit einbringe.

Was für Erlebnisse werden bei Ihnen zu Musik?

Ich versuche täglich zu ­schreiben. Es ist relativ einfach, einen, zwei oder drei Songs zu ­schreiben, aber schwierig, langfristig Material zu haben. Deswegen muss eine Routine reinkommen. Ich schreibe über die Welt um mich herum.

So wie den Besuch bei Helena?

Genau, das war ein Kneipenbesuch in dieser alten Nordstadtschänke in Hannover. Helena ist eine reale Barfrau, aber leider gibt es die Kneipe jetzt nicht mehr.

„Helena, mach mir noch ein Bier. Ich hab Durst und die Welt bricht grad zusammen.“

Ich bin mit Freunden oft dran vorbeigegangen und wir wollten auf gar keinen Fall dort rein, weil das wirklich eine richtige Kaschemme war und dann sind wir eines Abends sehr, sehr besoffen und irgendwie alle auch sehr traurig doch da gelandet. Der Gast, Roland, den ich in dem Song beschreibe, war auch real.

„Ein Mann stramm wie ' ne Rakete – gebannt von der Tapete.“

Aus so einem Erlebnis oder auch aus einem Gefühl, einem Liebeskummer, können mehrere Songs entstehen, wenn man sie von verschiedenen Seiten betrachtet.

Hat Sie Hannover noch zu mehr Liedern inspiriert?

Vielleicht nicht konkret, aber sie sind in meiner Zeit dort entstanden und ich verbinde viele Lieder extrem damit.

Trotzdem sind Sie gerade nach Berlin gezogen. Ist Hannover, wenn man wirklich auf die Musik setzen will, doch ein bisschen zu unbedeutend?

Nein. Ich habe sieben Jahre in Hannover gelebt und wollte in der Coronazeit einfach mal für ein paar Monate rauskommen. Es ist noch nicht klar, wie lange ich bleibe. Klar, man hat in Berlin mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Ablenkung. Das ist in Hannover nicht so das Problem.

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