Die Wahrheit: Kein Königreich für Schokolade
Für einen traditionsreichen englischen Süßwarenhersteller beginnen bittere Zeiten, denn der Königshof nascht nicht mehr.
D as neue Jahr fängt nicht gut an für Cadbury. In britischen Supermärkten werden die vom Silvestergeschäft übrig gebliebenen zuckersüßen Dairy-Boxen zu Dumpingpreisen verscherbelt, und nun hat König Charles III. der Schokoladenfirma auch noch den Titel als Hoflieferant entzogen.
Das war überfällig. Der Chocolatier Justin Bounce fällt ein vernichtendes Urteil über das klebrige Zeug: „Es enthält extrem wenig Kakao und Kakaobutter. Der Hauptbestandteil ist Zucker, der fast 57 Prozent ausmacht. Für mich ist Cadbury kaum Schokolade. Es ist in Milch aufgelöster Zucker.“
Merkwürdigerweise war Cadbury die Lieblingsschokolade von Elisabeth II., die sich bei ihrer Apanage anständige Süßwaren leisten konnte, sich aber immer Cadbury zu Weihnachten wünschte. Ihre Ururgroßmutter Victoria, die auch Ururgroßmutter von Elisabeths Gatten Philip war, hatte dem 1828 in Birmingham gegründeten Unternehmen 1854 den Titel verliehen. Ihr Urururenkel hat Cadbury nun neben hundert anderen Unternehmen die königliche Anerkennung entzogen. Zu seiner Krönung im Mai 2023 durfte die Firma aber noch eine Krone aus Schokolade basteln.
Des einen Leid, des anderen Freud: Die Plätze der gestrichenen Firmen nehmen unter anderem Königin Camillas Friseurin Jo Hansford und der Juwelier Wartski ein, der die Eheringe für das Königspaar 2005 angefertigt hatte.
2019 hatte Cadbury seine minderjährige Kundschaft aufgefordert, Straftaten zu begehen: Die Kinder sollten historische Stätten besuchen und nach Schätzen graben. Dahinter steckte eine Werbekampagne für „Freddo Treasures“, eine mit Winzspielzeug gefüllte Schokoladenschatztruhe. Archäologen rauften sich die Haare, und Cadbury musste sich entschuldigen.
Freddo dürfte Charles ziemlich schnuppe sein. Grund für Cadburys Unglück ist angeblich Charles’ Vorliebe für „ein Stück Obst oder ballaststoffreiche Samen statt Schokolade“, wie ein Boulevardblatt zu berichten wusste.
Dabei hatte Cadbury im Jahr 2012 ein Patent für eine hitzeresistente Schokolade angemeldet. Durch ein neuartiges Rezept schmolz die Schokolade nicht mehr bei Körpertemperatur, sondern erst bei 40 Grad, damit sie nicht die Hosentaschen der Kinder ruinierte. Das bedeutete vermutlich auch, dass man die Schokolade nur bei hohem Fieber genießen konnte – wenn von Genießen überhaupt die Rede sein kann.
Auf chclt.net, dem Schokoladen-Geschmacksführer, heißt es dazu: „Die Zutatenliste klingt übel: nur 20 Prozent Kakaogehalt, dazu unbenannte Aromen, Pflanzenfette, sowie E442 und E476 als Emulgatoren. Im Mund ist die Cadbury sofort süß, dann süß, dann kommt eine Ahnung Kakao durch, die sofort von einem milchig-karamelligen Film überdeckt wird.“ Also isst man besser einen Apfel und geht zur königlichen Friseurin.
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