Ralf Leonhard über die Bundespräsidentenwahl in Österreich: Todesstoß fürs System
Der Aufstieg der FPÖ scheint unaufhaltsam. Nicht einmal die Optimisten in der Partei hätten mit einem solchen Wahlergebnis gerechnet. Mehr als 35 Prozent der Stimmen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen für Norbert Hofer – mehr haben die Erben Jörg Haiders auf Bundesebene noch nie erreicht. Österreichs Landkarte ist blau eingefärbt. Zu den ersten Gratulanten zählten Marine Le Pen aus Frankreich und Geert Wilders aus den Niederlanden. Was da auf Samtpfoten daherkommt, ist ein autoritäres Staatsverständnis, das auf direkte Demokratie setzt, um Europa zu schwächen und die Grenzen wieder dicht zu machen. Hofer spielte erfolgreich die Angst vor dem Islam und Überfremdung aus.
Ob die Österreicherinnen und Österreicher sich wirklich einem Mann an die Brust werfen, dessen politische Heimat eine rechte bis rechtsextreme Führerpartei ist, wird sich erst am 22. Mai zeigen. In jedem Fall bedeutet die Wahl vom Sonntag den Todesstoß für das politische System der Nachkriegsordnung, in dem SPÖ und ÖVP alle relevanten Posten untereinander aufteilten.
Auch wenn weder die Rekordarbeitslosigkeit noch die internationalen Fluchtbewegungen der Regierung anzulasten sind, so präsentiert sie doch ein Bild der Ratlosigkeit. Und bei Zukunftsthemen wie Bildung und Energiewende blockieren die Koalitionspartner einander seit Jahren. Das Ergebnis vom Sonntag war eine Wutwahl: je weiter weg von den Regierungsparteien, desto besser.
In Parteipräferenzen für eine Nationalratswahl kann man das freilich nicht übersetzen. Doch es ist klar: Der Damm ist gebrochen. Die Kandidaten des Regierungslagers haben miteinander kaum mehr Stimmen gewinnen können als der zweitplatzierte Grüne Van der Bellen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich in beiden Regierungsparteien bald Leute durchsetzen werden, die eher bereit sind, Juniorpartner für die FPÖ zu spielen.
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