Raúl Krauthausen über Hasskommentare: „Die meisten sind junge Männer“
Als Aktivist wird Raúl Krauthausen im Internet mitunter übel beschimpft. Er übt sich in Seelenhygiene und sagt: Der Hass schwappt auch in die reale Welt.
taz: Herr Krauthausen, jeden Tag hinterlassen Ihnen Fremde im Internet hasserfüllte Kommentare. Sie müssen damit zurechtkommen. Wie machen Sie das?
Raúl Krauthausen: Am Anfang habe ich ihnen meine Aufmerksamkeit geschenkt, und das war ein Fehler. Mit Gegenreden erreicht man nichts. Sie verstecken sich hinter ihrer Anonymität und fühlen sich groß, solange sie gelikt und geteilt werden. Wichtig für die eigene Seelenhygiene ist, das Ganze nicht persönlich zu nehmen.
Wer sind die Hasser?
Die meisten sind Männer zwischen 20 und 30. Sie arbeiten am Abend oder nachts. Sie spielen gern Computer und gucken Fußball. Und es werden immer mehr.
Warum Männer?
Wahrscheinlich fehlt ihnen das Gefühl, bedeutend zu sein. Das kompensieren sie mit Hasskommentaren. Um diesen Hass zu bekommen, reicht es, behindert oder eine Frau zu sein. Die Hasskommentatoren eint das Gefühl, an ihrer Lebenssituation ändere sich nicht mehr viel. Sie brauchen einen Gegner.
Was lösen die Kommentare bei Ihnen aus?
Ich versuche, mich nicht beeinflussen zu lassen. Es ist ja bisher „nur“ das Internet, aber ich glaube, der Hass schwappt irgendwann in die reale Welt. Man sieht es an der AfD. Die konnte nur durch das Internet so groß werden. Es gibt eine Korrelation zwischen zunehmender Gewalt an Minderheiten und dem Internet.
36, aus Berlin, ist Aktivist für Inklusion und Mitgründer des Vereins Sozialhelden. Er betreibt Onlineplattformen wie wheelmap.org, selfpedia.de und leidmedien.de und hat auch eine eigene Webseite
Wie kann das sein?
Wenn Sie ein Hakenkreuz auf Twitter verbreiten, dann ist das offensichtlich straffrei. Zumindest weiß ich von keinem Fall, in dem die Person gefasst wurde, inklusive der Anzeigen, die ich selbst erstattet habe. Die Täter müssen bestraft werden. Und damit tun sich Justiz, Polizei und Provider bisher schwer.
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