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Raúl Krauthausen über Hasskommentare„Die meisten sind junge Männer“

Als Aktivist wird Raúl Krauthausen im Internet mitunter übel beschimpft. Er übt sich in Seelenhygiene und sagt: Der Hass schwappt auch in die reale Welt.

Mit sich selbst nicht klarkommen und es an anderen auslassen – Ursache für viele Hasskommentare Foto: photocase.de/spacejunkie
Nora Belghaus
Interview von Nora Belghaus

taz: Herr Kraut­hausen, jeden Tag hinterlassen Ihnen Fremde im Internet hasserfüllte Kommentare. Sie müssen damit zurechtkommen. Wie machen Sie das?

Raúl Krauthausen: Am Anfang habe ich ihnen meine Aufmerksamkeit geschenkt, und das war ein Fehler. Mit Gegenreden erreicht man nichts. Sie verstecken sich hinter ihrer Anonymität und fühlen sich groß, solange sie gelikt und geteilt werden. Wichtig für die eigene Seelenhygiene ist, das Ganze nicht persönlich zu nehmen.

Wer sind die Hasser?

Die meisten sind Männer zwischen 20 und 30. Sie arbeiten am Abend oder nachts. Sie spielen gern Computer und gucken Fußball. Und es werden immer mehr.

Warum Männer?

Wahrscheinlich fehlt ihnen das Gefühl, bedeutend zu sein. Das kompensieren sie mit Hasskommentaren. Um diesen Hass zu bekommen, reicht es, behindert oder eine Frau zu sein. Die Hasskommentatoren eint das Gefühl, an ihrer Lebenssituation ändere sich nicht mehr viel. Sie brauchen einen Gegner.

Was lösen die Kommentare bei Ihnen aus?

Ich versuche, mich nicht beeinflussen zu lassen. Es ist ja bisher „nur“ das Internet, aber ich glaube, der Hass schwappt irgendwann in die reale Welt. Man sieht es an der AfD. Die konnte nur durch das Internet so groß werden. Es gibt eine Korrelation zwischen zunehmender Gewalt an Minderheiten und dem Internet.

Im Interview: Raúl Krauthausen

36, aus Berlin, ist Aktivist für Inklusion und Mitgründer des Vereins Sozialhelden. Er betreibt Onlineplattformen wie wheelmap.org, selfpedia.de und leidmedien.de und hat auch eine eigene Webseite

Wie kann das sein?

Wenn Sie ein Hakenkreuz auf Twitter verbreiten, dann ist das offensichtlich straffrei. Zumindest weiß ich von keinem Fall, in dem die Person gefasst wurde, inklusive der Anzeigen, die ich selbst erstattet habe. Die Täter müssen bestraft werden. Und damit tun sich Justiz, Polizei und Provider bisher schwer.

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15 Kommentare

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  • Jeder darf in diesem Land ohne in den Knast zu kommen z.B. sagen, dass er Homosexuelle für perverse Volksschädlinge hält oder Frauenrechte für durchgeknallten Genderwahn... oder auch, dass die Grenzen für Kriegsflüchtlinge und Migranten zu schließen sind, weil sonst die Umvolkung des deutschen Volkes und Shariaregime drohen. (Um nur mal ein paar typische AfDler-Positionen als Bsp. zu nennen.) Nur dürfen andere dann eben auch ihre Meinung sagen, dass diese Meinung widerwärtig ist. Ein Großteil des derzeitigen Geheules über "Meinungszensur" kommt von Leuten, die zwar gerne selbst hasserfüllteste, diskriminierendste oder einfach nur dumme Aussagen tätigen wollen, aber bei gesellschaftlichem Gegenwind dann was von "Meinungszensur" heulen. Sorry, aber Meinungsfreiheit ist auch die Meinungsfreiheit anderer, Ihre Meinungen kacke finden zu dürfen. Das hat mit angeblichen gesetzlichen Eingriffen gegen Ihre freie Meinungsäußerung herzlich wenig zu tun.

     

    Zweitens bedeutet das Recht auf freie Meinungsäußerung kein Recht auf öffentliche Podien. Falls Sie also der Meinung seien sollten, dass "Neger genetisch gesehen weniger intelligent sind als Weiße und deshalb auch weniger Nobelpreise gewinnen" (echtes Zitat aus einer online-Diskussion) kommen Sie auch dafür nicht in den Knast, aber werden vielleicht nicht als Gastredner in die ARD-Talkrunde zu Bildungspolitik eingeladen. Das hat dann allerdings herzlich wenig mit "Meinungszensur" und "Meinungsdiktatur" zu tun.

     

    Wenn ich allerdings auf Facebook ein Foto vom Sonntagsausflug mit meiner Lebensgefährtin poste und Sie schreiben drunter den Kommentar "Du perverse Lesbens*u gehörst durchgef**kt bis du auf Männer stehst" (leider auch kein erfundenes Zitat) dann erfüllen Sie spätestens damit den Straftatbestand der Beleidigung und haben nicht einfach nur "Ihre Meinung gesagt".

     

    In diesem Kontext was von stalinistischen Gulags zu erzählen ist wirklich hochgradig lächerlich.

    • @kami:

      ^ Das war eigentlich eine Antwort an "Disenchanted" weiter unten.

  • Wer Hasskomentare von der WWW-Bildfläche verschwunden haben will kommt nicht umhin entsprechende, die Portalbetreiber in die Pflicht nehmende, Gesetze einzufordern, die auch Wirkung zeigen.

  • Und ich dachte beim ersten Blick auf den Titel schon, hier ginge es um Terrorattentate. Da passt - wenig erstaunlicherweise - die Aussage "Die meisten sind junge Männer" ja auch ganz gut.

     

    Wenn's nicht so traurig und erschreckend wäre, fände ich es ja recht amüsant, wie

    1.) permanent irgendwo irgendwelche frustrierten Typen Trucks in Menschen fahren, afro-amerikanische Kirchengemeinden abknallen, an Flughäfen um sich schießen, Schüler an Schulen totballern, amoklaufend durch die Straßen ziehen, weil sie keine Freundin abbekommen haben, Nachbarskinder abmurksen, weil sie beim Bund nicht genommen worden sind etc. pp. und dann

    2.) gewisse Menschen sich nicht entblöden, immer wenn's grade mal passt irgendwelche "das liegt am Islam, daswirdjajawohlnochmalsagendürfen"-Kommentare durch's Internet zu jagen.

    Kann hier in der taz unter dem Orly-Artikel ja auch grade mal wieder bewundert werden...

  • Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich und dessen Entstehung veröffentlichte Adorno, zusammen mit Anderen, eine Studie Namens “Die Autoritäre Persönlichkeit”. Diese betrachtete er als treibende Kraft hinter dem Dritten Reich.



    Als Alexander Solschenizyn gut zwanzig Jahre später seinen “Archipel Gulag” veröffentlichte wurde klar das es in der UdSSR und anderen kommunistischen Staaten nicht weniger autoritär zuging als im Dritten Reich.



    Oder anders gesagt: Die größten Katastrophen des letzten Jahrhunderts standen allesamt im Zusammenhang mit autoritären Persönlichkeiten und autoritärer Politik und dennoch gönnen wir uns hier Diskussionen darüber ob es nicht in Ordnung ist Menschen den Mund zu verbieten, wenn sie Meinungen verteten die uns unangenehm sind.







    Link entfernt. Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette.

    Die Moderation

    • @disenchanted:

      Einfache Antwort:

       

      Hass ist keine "Meinung".

       

      Hass ist eine Quelle für Verbrechen.

      Hass läßt sich vielleicht nicht selbst bekämpfen, aber seine Folgen, z.B. Diskriminierung, Verleumdung, Gewaltverherrlichung und -androhung oder Aufrufe dazu, sind zwingend zu ahnden. Denn es handelt sich dabei um Straftatbestände.

      • @cursed with a brain:

        Danke. Ganz genau: Hass und Diskriminierung sind keine "Meinung".

         

        Das kann man echt nicht oft genug sagen in Zeiten, in denen es xenophobe, homophobe, misogyne oder fundireligiöse Idioten anscheinend ganz besonders hip finden, sich mit ihrem Hass und ihrer Diskriminierung anderer als die armen unterdrückten Opfer von "Meinungsdiktatur" darzustellen.

      • @cursed with a brain:

        Ich kann nicht erkennen warum eine Position die aus Hass heraus entsteht weniger eine Meinung ist als eine Position die aus anderen Gründen entseht.

         

        Solange ein Äußerung nicht unmittelbar strafbar ist hat man diese in einer freien Gesellschaft zu ertragen. Negative Gefühle können da keine Argumentationsgrundlage sein.

        Die Tragik dieser ganzen Hate-Speech-Debatte ist das davon ausgerechnet die brisantesten Themen betroffen sind. Wenn die Menschen grade dort in ihrer Meinungsfreiheit beschnitten werden kann das fatale Konsequenzen haben. Ein Blick in die Geschichtsbücher offenbart einem schnell was passiert, wenn Menschen nicht mehr miteinander reden können. Sie geben nicht kleinbei sondern setzen sich körperlich auseinander. Das ist in niemandes Interesse!

         

        Wenn es um staatliche Eingriffe geht sitzt vielen Regierungs-Politikern der Gesetzesstift recht locker, weil sie ja grade an der Macht sind. Darüber das ein erstmal eingerichteter Zensurmechanismus nach einem Regierungswechsel auch gegen die eigenen Standpunkte eingesetzt werden kann wird glaube ich oft nicht bedacht. Was glauben Sie wäre alles "Hate Speech", wenn die AfD die Bundesregierung stellen würde?

  • "Warum Männer?

    Wahrscheinlich fehlt ihnen das Gefühl, bedeutend zu sein."

    Ach! Was für eine erklärung! Haben frauen seltener das gefühl, unbedeutend zu sein?

    • @ermi k.:

      Zumindest scheinen wir ja weniger die Tendenz zu haben, uns aus Mangel an vermeintlich zustehender Anerkennung legitimiert zu sehen, Hasskommentare über's Internet zu kübeln oder im Extremfall ein paar Leute abzumurksen.

      Schon komisch, dass solches Verhalten zwar keiner bestimmten Schicht, Religion oder politischen Ausrichtung zuzuschreiben ist, sondern quer durch die Bank vorkommt... aber überproportional bzw. nahezu ausschließlich einem Geschlecht zuzuordnen ist. Was ist denn Ihre Erklärung dafür?

  • Sind hier die Fragen ausgegangen, oder die Antworten?

    • @lions:

      Vielleicht wurden die gewünschten Antworten ja so schnell gegeben das weitere Fragen nicht mehr nötig waren um die "richtige" Nachricht zu verbreiten.

      • @disenchanted:

        Irgendein ein Wurm war da drint; Vll einer der Zeit, wie: Es hat zum Essen geläutet.

    • @lions:

      Das Interview ist wirklich sehr dünn, keine Belege, keine Begründungen, es wird einfach irgendwas behauptet und dann mal wieder darüber lamentiert, das die Polizei zu wenig machen kann.

  • Raul Krauthausen ist großartig,wer ihm Hasskommentare schreibt,der hat nichts verstanden vom Leben und braucht noch etliche Lektionen in Demut.

    Dämliche Feiglinge gibt´s wie Sand am Meer.Oder wie Bettina Wegner es formulierte:

     

    "Gerade klare Menschen,wär´n ein schönes Ziel.Leute ohne Rückgrat ham wir schon zuviel."