Rätselraten über Absturz in Iran: Explosion nach dem Start
Eine ukrainische Maschine stürzt bei Teheran ab. Irans Regierung warnt vor Spekulationen, die Boeing 737 könnte abgeschossen worden sein.
Alle 176 Passagiere und Besatzungsmitglieder sind bei dem Flugzeugabsturz kurz nach 5 Uhr ums Leben gekommen. Die Boeing war auf dem Weg von Teheran nach Kiew. Unter den Passagieren waren vor allem iranische und kanadische Staatsbürger. Erste Meldungen, dass auch Deutsche an Bord waren, wurden später wieder in Frage gestellt.
Angehörige von Passagieren erfuhren auf dem Kiewer Flughafen Borispol ausgerechnet von Journalisten, die live aus der Halle berichtet hatten, von der schrecklichen Nachricht.
Was genau in den wenigen Minuten vom Start bis zum Aufschlag der Maschine geschah, blieb unklar. Einige Stunden vor dem Absturz hatte Iran die US-amerikanische Militärbasis Erbil im Irak mit Raketen angegriffen. Auf dieser sind neben amerikanischen Soldaten auch kanadische Soldaten stationiert. Ebenfalls in dieser Nacht hatte die US-amerikanische Luftfahrtbehörde FAA US-Flugzeugen die Nutzung des Luftraums über dem Persischen Golf, Oman, dem Irak und dem Iran untersagt.
Widersprüchliche Angaben
In einer ersten Stellungnahme berichteten die Flughafenbehörden von Teheran, man gehe von einem technischen Defekt als Ursache des Unglücks aus. Auch die ukrainische Botschaft in Teheran schloss zunächst einen Anschlag aus. Doch um 10 Uhr morgens wurde diese Stellungnahme auf der Homepage der Botschaft durch eine neue ersetzt. Darin hieß es, die Ursachen des Absturzes seien nicht ermittelt. Frühere Einschätzungen dazu seien nicht offiziell gewesen.
Ungefähr um die selbe Zeit schließt Igor Sosnovskij, stellvertretender Präsident der Fluggesellschaft MAU, einen Fehler der Mannschaft des Flugzeugs weitgehend aus. Umgekehrt warnte der ukrainische Ministerpräsident Oleksij Hontscharuk vor Spekulationen, das Flugzeuge könne von einer Rakete abgeschossen worden sein. Erst müssten die Ergebnisse einer offiziellen Untersuchung bekannt sein.
Das könnte schwierig werden. Die iranischen Behörden haben laut eignen Angaben zwar die beiden Black Boxes der abgestürzten Maschine gefunden. Man wolle jedoch weder der Herstellerfirma Boeing noch amerikanischen Einrichtungen Einblick in deren Protokolle geben, berichtete das Internetportal von Al Jazeera.
Rückkehr schwierig
Der ukrainische Präsident, Wolodimir Selenski, der sich anlässlich der orthodoxen Weihnachtsfestlichkeiten in Oman aufhält, plant eine vorzeitige Heimreise. Da jedoch auch der Oman unter das Flugverbot der US-amerikanischen FAA fällt, dürfte die Rückkehr schwierig werden. Selenksi ordnete die sofortige technische Prüfung aller ukrainischen Flugzeuge und die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen an.
Ab Donnerstag besteht bis auf Weiteres ein Flugverbot für alle ukrainischen Fluglinien in den Iran. Auch weitere Fluggesellschaft wie Air France und KLM verzichten bis auf Weiteres darauf, den Irak und den Iran zu überfliegen.
Sehr viele offene Fragen hat die Juristin und Kriminologin Anna Maljar. Sie sei sehr verwundert über die Weigerung des Premierministers Hontscharuk, bei seiner Pressekonferenz eine Frage nach den unterschiedlichen Erklärungsversuchen zum Absturz auf der Homepage der ukrainischen Botschaft im Iran zu beantworten.
Stutzig mache sie auch die Anwesenheit von 63 kanadischen Staatsbürgern im Flugzeug. Sie glaube kaum, dass dies alles Touristen seien, sagte Maljar. Sie vermutet vielmehr, dass es sich hierbei um kanadische Armeeangehörige handele, die gegen den IS eingesetzt waren. Und sie schlägt vor, die Ermittler sollten sich um zwei Personen kümmern, die ein Ticket für Flug PS752 gebucht hätten, aber den Flug nicht angetreten hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen