Radtour mit Friebert Pflüger: Blinde Begeisterung
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion Friedbert Pflüger lernt seine Stadt kennen. In Friedrichshain und Kreuzberg zieht er an Traditionsbetrieben und Mediaspree vorbei. Pflüger findet alles wunderbar
Friedbert Pflüger zeigt sich von seiner harten Seite. Trotz misslicher Wetterbedingungen hält der Fraktionschef der CDU im Abgeordnetenhaus am Freitag am Fahrplan für seine Radtour durch Friedrichshain und Kreuzberg fest. Sommertour nennen sich die Betriebs- und Mediaspreebesuche. Ein Regenausflug wird es.
Erste Besichtigungsstation des Spektakels, auf dem Pflüger von lokalen Kreuzberger CDU-Größen begleitet wird, ist die Firma von Robert Karst in der Gneisenaustraße. Seit 1901 gibt es den mittelständischen Betrieb mit 80 MitarbeiterInnen, in dem Hochfrequenzstecker vor allem für die Autoindustrie hergestellt werden.
Karst ist eine Kreuzberger Hinterhoffirma. In dem alten Backsteingebäude sitzen Fabrikarbeiterinnen ganz klassisch an Maschinen und fertigen die immer gleichen Teile. Gleichzeitig jedoch muss die Firma, um international mithalten zu können, ständig an der Optimierung der Produktion arbeiten. Deshalb gibt es eine eigene Entwicklungsabteilung. Pflüger gibt sich volksnah, spricht mit den Arbeitern über das, was sie machen. "Ich sorge dafür, dass die Maschine das macht, was man früher löten nannte", sagt einer. "Toll", sagt der CDU-Vorsitzende.
Auch nach den Löhnen fragt er. Eine junge Frau an der Stanzmaschine bekommt 6 Euro die Stunde. Sie ist bei einer Leiharbeitsfirma angestellt. Pflüger fühlt mit und wettert im gleichen Atemzug gegen den Mindestlohn: "Müsste der Betrieb mehr zahlen, könnte er dichtmachen." Da ist Pflüger dann doch dafür, dass die Frau mit den 6 Euro in den sauren Apfel beißt, und wendet sich anderen Arbeitern zu. Dem aus Ägypten stammenden Ingenieur etwa, der so gern ein Foto von sich mit Pflüger hätte. "Super Mann", sagt der Politiker.
Später im Chefzimmer geht es härter zur Sache. Ein Freund des Chefs stößt die Wertedebatte im globalen Wettbewerb an. Menschen können nur verbrauchen, was sie erarbeitet haben, sagt er. Und Dienstleistungen ersetzen nicht die Produktion. Zudem verlangt er, dass die Politiker ehrlich mit den Leute reden und sie nicht belügen. "Ich stimme völlig zu", sagt Pflüger. Das sagt er gern. Dann wettert er noch einmal über den Mindestlohn und über Klaus Wowereit, der nur auf Partys gehe. "Ich gönne Ihnen viele Wählerstimmen, aber mit der Wahrheit", sagt ein Angestellter zu Pflüger beim Abschied.
Der nächste Stopp führt zu Megaphon, einer Medienfirma in den Elisabethhöfen am Erkelenzdamm. Ein Heimspiel für Pflüger, denn der Inhaber Jannis Tzialtzoudis ist so erfolgreich, dass er nichts an der Politik zu kritisieren hat.
Über den Görlitzer Park - dort kann man immer gut über soziale Probleme im Kiez sinnieren - geht es zu Mediaspree. An einer Fotomontage lässt er sich zeigen, was da alles geplant ist. "Tolles Projekt", sagt Pflüger.
Gleichzeitig fragt er, ob man den Bürgern nach dem Bürgerentscheid nicht ein wenig entgegenkommen könne mit ihren Forderungen nach mehr unbebautem Gelände an der Spree. Als er jedoch erfährt, dass schon in der bisherigen Planung ein Uferweg von etwa zehn Meter Breite vorgesehen war, was ihm überraschenderweise neu war, geht die Liebe zu den Investoren doch mit ihm durch. Bei dem Gedanken, all den potenziellen Geldbringern, die hier bauen wollen, mit der Forderung nach einem 50 Meter breiten Uferstreifen Steine in den Weg zu legen, reagiert er empört. "Das ist verlogen." Es gehe nur darum, Mediaspree kaputtzumachen. "So ein tolles Projekt", sagt Pflüger.
Richtig ins Schwärmen allerdings gerät er endgültig in der O2-Arena. Die Schlüsselwörter, die da fallen, nötigen Pflüger und seiner Entourage zustimmendes Kopfnicken ab: Alba, Eisbären, Füchse - die Spiele der Clubs finden in Zukunft hier statt. Grönemeyer, Tina Turner - schon ausverkauft. 17.000 Zuschauer passen in die Halle. 165 Millionen Euro hat Anschutz, der Betreiber, verbaut. 1.400 Jobs sollen geschaffen werden. "Toll. Toll. Klasse", sagt Pflüger.
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