Radrennen: Wie zieht man beim Sport so richtig durch?
Unsere Kolumnistin erkundet mit ihrem Rennrad die bergige Landschaft Mallorcas. Bis ihre Oberschenkel brennen und sie sich fragt: Wofür? Warum? Wieso?
P inienwälder, Schafweiden, das Meer am Horizont. Aber davon bekomme ich kaum etwas mit. Ich fokussiere mich auf das Hinterrad vor mir, das sich viel zu schnell dreht. Dranbleiben, denke ich. Aber es entgleitet mir wieder. Am nächsten Berg ist meine Freundin nur noch ein kleiner Fleck, der auf der Kuppe auf mich wartet. „Du beißt nicht richtig“, sagt sie, als ich sie eingeholt habe. „Wenn du nicht im Windschatten bleibst, ist es viel anstrengender.“
Wir sind auf Mallorca, um Rennrad zu fahren, und ich habe ein Problem: Ich habe keinen Biss. „Wofür? Warum? Wieso?“, blökt mein Gehirn, sobald es minimal bergauf geht. Dabei hätte ich sogar noch Kraft in den Beinen.
Durchhalten ist nicht nur auf dem Fahrrad hilfreich. So harrt man auf der Demo aus, auch wenn die Füße schon Eiszapfen sind. Oder streikt weiter für bessere Arbeitsbedingungen, obwohl man angefeindet wird. Also will ich lernen, wie man richtig beißt.
Umfrage im Team: Wie macht ihr das, wenn die Oberschenkel so richtig brennen? Der eine stellt sich Fans am Straßenrand vor. Der andere einen imaginären Verfolger, der auf keinen Fall zu nah kommen darf. Oder man sucht sich einen echten Kontrahenten, der einen nicht überholen darf.
Vor dem letzten Berg des Tages starte ich zehn Minuten früher als meine Freunde, damit der Abstand nicht wieder zu groß wird. 20 Kilometer lang werde ich nicht eingeholt. Drei Kurven vor der Bergspitze taucht ein bekannter weißer Helm hinter mir auf. Im kleinsten der 22 Gänge strample ich gegen die kleiner werdende Lücke zwischen uns an. Als ich oben ankomme, bin ich mir nicht sicher, ob das noch meine Beine sind oder zwei krampfende Würste. Aber ich habe es geschafft! Das Grinsen klebt mir noch im Gesicht, als wir in unsere Einfahrt einbiegen.
Unsere nächste Route ist 127 Kilometer lang, 1.800 Höhenmeter. Mein persönlicher Mount Everest. Ich pfeife mir unterwegs alles rein, was Kalorien hat: Knallrote Gummischlangen, Cola, Snickers, Sportgel, Müsliriegel, Pommes, wieder Cola. Wer beißen will, muss futtern.
Nach 80 Kilometern folgt der letzte Anstieg. Ich hinterfrage nichts mehr. Eins, zwei, eins, zwei, zähle ich im Kopf meine Tritte mit, um im Rhythmus zu bleiben. Das Schild mit dem roten Kreis, in dem ein Fahrrad abgebildet ist, übersehe ich und fahre direkt auf den Tunnel zu. Es pfeift, der Mann auf der Leiter über mir fuchtelt mit den Armen, „No, no!“, er deutet auf das Straßenschild: Keine Räder im Tunnel!
Für mich geht es den Berg links in kleinen Serpentinen hoch. Ich stecke mir Ohrhörer rein, eine Frauenstimme singt in mein Ohr: „Go Girl, you got this.“ Ich bin mir da nicht so sicher. Wahrscheinlicher ist, dass ich bald zusammenbreche.
Aber dann trete ich einfach. Kurve drei, vier, sieben, elf, ich fange an, im Takt mitzuwippen. Kurve fünfzehn, ich gehe aus dem Sattel und nehme die nächste Serpentine extra scharf, siebzehn, ich lache laut. Achtzehn, einundzwanzig. Ich denke an gar nichts.
Das ist er also, dieser Flow, in den wir kommen, wenn wir hohe sportliche Leistung bringen. Mein präfrontaler Cortex, das Hirnareal hinter der Stirn, hat sich abgeschaltet. So hat es mir ein Sportpsychologe neulich erklärt. Meine Oberschenkel machen einfach. Vielleicht geht es beim Beißen auch darum, den Spaß unterwegs nicht zu verlieren. Wie schwerelos gleite ich die 29 Kurven nach oben. Das war mein bester Berg.
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