Radioaktive Abfälle in der Asse: 50 Jahre und kein Ende in Sicht
Vor einem halben Jahrhundert begann die Einlagerung von Atommüll im Bergwerk Asse. Kritiker fordern ein Konzept für die Bergung des Abfalls.
Am 4. April 1967 hatten Lkws die ersten 80 Fässer mit radioaktiven Rückständen aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe ins frühere Salzbergwerk Asse II gebracht. Zuletzt gelangten 1978 strahlende Abfälle in die Grube. Teilweise kippten Gabelstapler die Fässer einfach über Abhänge oder quetschten sie in bereits volle Hohlräume. Insgesamt lagern 125.787 Behälter mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall sowie mit Chemiemüll in den Kammern – mehr als 50.000 Kubikmeter strahlende und teils hoch giftige Rückstände.
Es dauerte lange, bis Informationen über die Zustände unter Tage nach außen drangen: Seit 1988 läuft Wasser in das Bergwerk, täglich rund 12.500 Liter. Die Kammern mit dem Atommüll sind instabil, Experten befürchten Wassereinbrüche: „Die weitere Entwicklung des Zutritts ist nicht prognostizierbar“, heißt es in einer gestern vorgestellten Broschüre des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS). „Ein unkontrolliertes Volllaufen des Grubengebäudes kann nicht ausgeschlossen werden.“ Die Nachbarschächte waren schon früher voll Wasser gelaufen und aufgegeben worden.
2009 wurde das BfS mit dem Betrieb des Bergwerks und seiner Schließung beauftragt. Es beschloss die Rückholung der Abfälle. Ein ambitioniertes Unterfangen, denn ein nukleares Endlager wurde noch nirgends auf der Welt geräumt. So droht die Rückholung der Fässer zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat. Ein neuer Schacht muss in den Berg getrieben, ein oberirdisches Zwischenlager gebaut und eine dauerhafte Lagerstätte für den Asse-Müll gefunden werden.
Unkontrolliertes Volllaufen ist nicht ausgeschlossen
Das in Bau befindliche Endlager Schacht Konrad, räumt BfS-Chef Wolfram König ein, kann die Abfälle nur nach einem neuen Genehmigungsverfahren aufnehmen. Fachleute wie Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt äußerten zudem grundsätzliche Bedenken gegen eine Räumung. Umweltschützer vermuten, dass die Politik Bilder von zerfressenen Fässern und einem Brei aus Salzlauge und Atommüll lieber nicht in der Öffentlichkeit sehen will.
Bundesamt für Strahlenschutz
Andreas Riekeberg vom atomkraftkritischen Asse-II-Koordinantionskreis kritisierte gestern denn auch, dass das BfS acht Jahre nach der Übernahme der Grube immer noch kein Gesamtkonzept für die Rückholung vorgelegt habe. „Wir fordern ein koordiniertes Vorgehen, mit einem bis zum Ende gedachten Planungsgerüst“, sagte er. Zentrale Fragen wie die nach dem Zugang zu den Kammern oder der Methodik der Bergung seien „bisher nicht ansatzweise geklärt“.
Sorgfalt gehe vor Schnelligkeit, mahnte dagegen gestern das BfS: Das strenge Atomrecht, das seit 2009 für die Asse gilt, fordere nicht nur ein völlig anderes Sicherheitsregime. Sondern auch ein Nachweissystem für jeden geplanten Schritt, „der Zeit, Geld und manchmal viel Geduld von allen Beteiligten erfordert“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“