RIESTERS RENTE BENACHTEILIGT DIE JÜNGEREN – DIE DAZU SCHWEIGEN: Absurde Fronten
Man stelle sich vor: Die „Generation Golf“ protestiert gegen die Rentenreform. Zehntausende skaten bauchfrei durch die Straßen und schwenken große Transparente: „Betrug an der Rente – weg mit dem Abschlagsfaktor!“ Absurde Vorstellung. Stattdessen werden im Herbst altgediente IG-Metaller Versammlungen abhalten und die Kürzungen beim Altersruhegeld bemängeln. Auch das ist absurd: Denn damit protestieren gerade jene Älteren, die mit der Riester-Rente noch relativ glimpflich davonkommen. Die Gerechtigkeitsdebatte anhand der Rente ist schräg, aber leider nicht lustig.
Zuerst die Fakten: Wer nach dem Jahre 2030 frisch in Rente geht, bekommt 6 Prozent weniger Altersruhegeld als ein Ruheständler, der 20 Jahre zuvor aufs Altenteil wechselte. Die Jüngeren sind am stärksten betroffen von den Kürzungen. Die Jüngeren wären aber auch am stärksten benachteiligt, wenn die Rente weiterliefe wie bisher: Die Beiträge würden ins Absurde steigen. Jung sein ist ein teurer Spaß im heutigen Sozialsystem. Wie anders war da noch die Situation in den 70er-Jahren: Damals gab es für die Jüngeren ein großzügig gewährtes Bafög, auch Phasen der Arbeitslosigkeit waren kein großes Problem. Wer jung war, konnte den Sozialstaat nur verteidigen.
Heute haben sich die Dinge umgedreht. Wer jung ist, muss mehr in die Rente einzahlen, als er herausbekommt. Genau deswegen schwächt der gegenwärtige Rentenstreit den Glauben an einen sozialen Ausgleich durch Kollektivsysteme. Das ist fatal: Wer nicht mehr an kollektive Lösungen glauben kann, verliert das Interesse an Politik. So treibt die Rentendebatte die Entpolitisierung voran. Da hilft es wenig, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zusätzliche Betriebsrenten vorschlägt. Die Firmen werden das nicht mitmachen, das weiß auch der DGB, der ja seinen eigenen Beschäftigten die private Vorsorge empfiehlt. Dies ist eine weitere Absurdität im Rentenstreit, dessen Fronten zwischen CDU und SPD, Gewerkschaften und Arbeitgebern, Gewerkschaften und rot-grüner Regierung, Alt und Jung kaum noch nachvollziehbar sind. Die künftigen Gerechtigkeitsdebatten müssen anders laufen. So viel ist klar.
BARBARA DRIBBUSCH
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen