REGIERUNG NORDIRLANDS WEGEN VORGESCHOBENER GRÜNDE SUSPENDIERT: Polizei im Dienst der Unionisten
Nordirlands Unionisten haben ihr Ziel mal wieder erreicht. Die verhasste Mehrparteienregierung, in der sie die Macht unter anderem mit Sinn Féin, dem politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), teilen müssen, ist von der britischen Regierung suspendiert worden. Die Unionisten wollen weitere Zugeständnisse von Sinn Féin und IRA herausholen, weil sie wissen, dass beide Organisationen keine Alternative zum Friedensprozess haben. Eine Rückkehr zum bewaffneten Kampf ist ausgeschlossen, dafür fehlt die Unterstützung der Bevölkerung.
Die Gründe für die Suspendierung der Institutionen sind vorgeschoben, man bediente sich dabei der Polizei. Die hat zwar einen neuen Namen, verfolgt aber die alte Taktik: Der „Police Service of Northern Ireland“, der bis voriges Jahr „Royal Ulster Constabulary“ hieß, ist nach wie vor eine protestantisch-unionistische Polizei. Ihre Razzia bei Sinn Féin hatte nichts mit Verbrechensvereitelung zu tun, sondern war politischer Natur. Unionistenchef David Trimble hatte im September ein Ultimatum gestellt, wonach sich die IRA bis Mitte Januar auflösen müsse, sonst werde er die Regierung stürzen. Da diese Forderung von der IRA – will sie nicht weitere Abspaltungen riskieren –nicht zu erfüllen ist, hätte man Trimble das Scheitern des Friedensprozesses angekreidet. So kamen ihm die „Dokumentenfunde“ bei Sinn Féin gerade recht. Überrascht haben sie ihn nicht. Minuten nach den Razzien wusste er, welche Unterlagen von dem angeblichen Agenten kopiert worden waren. Die Polizei hatte ihn vorab informiert.
Auch das hat Tradition. Während des nordirischen Konflikts der vergangenen 30 Jahre hat die Polizei ihre Akten nicht nur an unionistische Politiker, sondern auch an protestantisch-loyalistische Paramilitärs weitergegeben. Es waren Todeslisten mit persönlichen Angaben und Adressen von katholischen Rechtsanwälten, mutmaßlichen IRA-Mitgliedern und Katholiken. Die Mörder dieser Menschen wurden nie gefasst. Und die loyalistischen Todesschwadronen sind immer noch unterwegs, unbehelligt von der Polizei. RALF SOTSCHECK
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