RB Leipzig siegt im DFB-Pokal: Gewinnendes Konstrukt
Der von Fußballfans beargwöhnte Verein namens RB Leipzig hat wieder den DFB-Pokal gewonnen. Ist das schon Tradition?
Ist das schon so etwas wie eine Tradition? Man hat sich daran gewöhnt, dass RB Leipzig, dieser „junge Klub“, wie Trainer Marco Rose nicht müde wird zu sagen, das Endspiel um den DFB-Pokal erreicht. Viermal in den vergangenen fünf Jahren stand das „Konstrukt“, wie die Fanszenen sogenannter Traditionsvereine das sporttreibende Marketinginstrument des Koffeinlimoherstellers Red Bull nennen, nun schon im Endspiel. Zum zweiten Mal hintereinander hat Rasenballsport die Trophäe jetzt gewonnen.
So richtig abfinden konnte sich ein Teil Fußballdeutschlands jedoch nicht mit dem 2:0-Erfolg von RB gegen Eintracht Frankfurt am Samstagabend im Berliner Olympiastadion. Auf Twitter trendete nach dem Schlusspfiff die Verbalinjurie „Hurensöhne“. Enttäuschte Frankfurter Fans brüllten dieses hässliche Wort noch lange nach dem Spiel ein ums andere Mal hinaus in den Berliner Nachthimmel.
Das ist nichts Neues, wenn ein altgedienter Klub gegen die Emporkömmlinge aus Leipzig spielt – und fast schon so etwas wie eine Tradition. Tradition geworden ist auch das machtvolle Auftreten der Anhängerschaft aus Frankfurt, die es mal geschafft haben, ein Europa-League-Spiel in Barcelona zum Heimspiel zu machen.
Auch am Samstag waren zwei Drittel des mit gut 74.000 Zuschauern ausverkauften Olympiastadions als Anhänger der Eintracht auszumachen. Für die hatte Oliver Glasner, der Trainer der unterlegenen Frankfurter, nach dem Pokalspiel besonders warme Worte parat und machte deutlich, wie wichtig der Anhang für Fußballer ist. Die seien schließlich Künstler und als solche bedürfen sie des Zuspruchs von den Rängen. Und er sei auch deshalb so stolz auf die Mannschaft, mit der er zwei Jahre zusammengearbeitet und dabei die Europa-League gewonnen hat, weil es ihr gelungen sei, so viele Menschen zu begeistern.
„Passen Sie mir gut auf!“
Glasner muss den Verein verlassen. Weil er sich nicht so recht mit Eintrachts Sportvorstand Markus Krösche verstand, wurde er ein Jahr vorm Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit zur Tür hinausgebeten. Jetzt will er die Eintracht in der Rolle eines Fans beobachten und servierte den versammelten Pressevertretern zum Abschied eine rührende Geschichte. Eine ältere Frau habe ihn bei einem seiner ersten Auftritte in Frankfurt gebeten: „Passen Sie mir bitte gut auf, meine Eintracht!“ Nun sei er in ihrer Rolle und rufe als Fan den Verantwortlichen zu, sie mögen doch gut auf die Eintracht aufpassen. Da hat einer das Spiel mit den Emotionen der Fans verstanden.
Marco Rose, der Pokalsiegertrainer, tut sich da gewiss schwerer. Er schritt zur Pressekonferenz und begann so nüchtern und trocken zu sprechen, als hätte sein Team gerade ein stinknormales Bundesligaspiel gegen den FC Augsburg gewonnen. „Ich freu mich schon“, sagte er. Brav lobte er dabei die Fans, die ihr Bestes gegeben hätten, pries alle Mitarbeiter im Klub, ohne die das nicht möglich gewesen wäre und setzte zur Analyse des Spiels an, das bis zur 70. Minute alles andere als gute Unterhaltung geboten hatte. Arg vorsichtig agierten die Leipziger gegen wacker angrätschende Frankfurter. Die trauten sich nach Ballgewinn meist zu wenig zu. Die Angst vorm in den vergangenen Wochen so furchteinflößenden Umschaltspiel der Leipziger war ihnen anzumerken.
Rose war gerade dabei, dieses blutleere Gekicke zu erläutern, das stürmten seine Spieler den Raum der Pressekonferenz, sangen und übergossen ihren Trainer mit Unmengen Bier. Der Biergeduschte hatte sich schnell wieder im Griff, setzte sein Analytikergesicht auf und sprach weiter, als die Spieler sich wieder verdrückt hatten.
Rose zeigte auf die Feiertruppe und meinte, ab der 70. Minute sei es dann eher so gewesen. Mit der Einwechslung von Yussuf Poulsen für Timo Werner war ein wenig Feuer ins Spiel gekommen. Solches hatte es bis dahin nur auf den Rängen gegeben, wo reichlich pyrotechnische Erzeugnisse abgefeuert wurden.
Christopher Nkunkus 1:0 in der 71. Minute war die Folge dieses erhöhten Engagements, auch wenn es gewiss ein wenig glücklich war, wie der doppelt abgefälschte Ball den Weg ins Tor gefunden hatte. Die Frankfurter waren gebrochen und ließen kurz vor Schluss noch ein zweites Tor durch Dominik Szoboszlai zu. Die Leipziger durften feiern. Auch Marco Rose. Der sprach von einer Sause. Auch ein paar Bilder vom Stadtfest in Leipzig habe man ihm schon gezeigt. „Das sieht nach Spaß aus“, sagte er und musste beinahe sogar ein bisschen lächeln.
Ob jetzt nicht auch mal die Meisterschale für Leipzig dran sei, wollte einer wissen. Die gewinnt ja traditionell eine andere Mannschaft. Zu jenem FC Bayern wird mit Konrad Laimer wohl einer der besten Rasenballsportler wechseln. Und auch Stürmer Christopher Nkunku wird kaum zu halten sein. Sollte es wirklich mal klappen mit dem Titel, eines wird den Leipzigern sicher sein: der Hass der abgehängten Traditionsvereinsfans.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass