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RAF in der KunstDer Finger in der Wunde

Das Themenspektrum des Polit-Künstlers Olaf Metzel reicht von der RAF bis zum Turbokapitalismus. Zu sehen sind seine Arbeiten derzeit in Hamburg.

Ambivalentes Symbol: Pistole vor einem Foto von Olaf Metzels Stammheim-Installation am Württembergischen Kunstverein. Bild: Hamburger Kunstverein

Wer diese Schau im Hamburger Kunstverein eilig durchquert, versteht nicht viel. Der sieht nur, dass da Formen des Protests versammelt sind, die zu einem bizarren Panoptikum der Ähnlichkeiten verschmelzen. Und ist ein bisschen frustriert, weil der Polit-Künstler Olaf Metzel scheinbar nicht Position bezieht, sondern uns Brocken unserer Geschichte vor die Füße wirft.

Aber gerade das macht die aktuelle Metzel-Retrospektive in Hamburgs Kunstverein interessant: dass sie suggeriert, politisch zu sein, es aber letztlich nicht ist. Sicher, da ist der Zugang zur Ausstellungshalle durch quer gespannte Militär-Stoffbahnen verstellt. Die Arbeit wirkt wie ein Sackgassenschild und verhindert den Durchmarsch, das geschmeidige Konsumieren der Kunst. Und da sind Baseballschläger in den Stoff gewoben – Anspielungen auf Waffen von Demonstranten oder Polizeiknüppel.

So gesehen stehen die Holzstöcke für alle Fraktionen. Die emotionale Temperatur von Konflikten, die ewig gleichen Mittel sind hier Thema und: deren Ästhetik. Die Überführung prosaischen Materials in Kunst.

Denn die Baseballschläger stehen nur scheinbar für Aggression. Metzel hat sie eher wie Federn zwischen die Tücher gesteckt. Oder wie vergessene Klöppel einer Spitzenklöpplerin. Und keiner der Stäbe reißt ein Loch in das Tuch, wie es bei echter Auseinandersetzung der Fall wäre. Die Installation ist also eine Parabel über Gewalt, aber kein Plädoyer dafür oder dagegen.

Auf diesem Grat zwischen Deskription und Politik wandelt die Ausstellung, die sich als Retrospektive der letzten 30 Metzelschen Jahre versteht – jenes Künstlers, der stets mit Kunst im öffentlichen Raum provozierte. Mit der Berliner Skulptur „13. 4. 1981“ etwa, einem Turm aus Absperrgittern und Einkaufswagen, der an Krawalle nach dem angeblichen Tod eines RAF-Häftlings erinnert. Den Turm entfernte man nach Protesten – das Werk war zu nah an der Realität.

Ready-Mades von Konfliktspuren

Genau so arbeitet Metzel: Er erfindet nichts dazu, sondern nimmt vorgefundenes Material auf, Ready-Mades von Konfliktspuren, und legt den Finger in die Wunde. In den Turbo-Kapitalismus zum Beispiel, so heißt jedenfalls eine an ein Dschungel-Camp erinnernde Installation aus Hängematten, Rucksäcken und Tarnnetzen. Es könnte ein Militärcamp sein, aber auch Sinnbild der öligen Erde, die Shell in Nigeria hinterließ. Torpedo-artige Metallzylinder liegen am Boden, und Metzel sagt, er wolle zeigen, dass Menschen immer exotischeren Urlaub in Krisengebieten machten.

Aber das ist nur eine mögliche Konnotation, und man darf gern eigene suchen. Etwa zu der großen Pistole, die wie eine Leiche auf dem Boden liegt, vor einem Foto der „Stammheim“-Installation von 1984. Damals lehnte Metzel Kalkplatten an die Wand des Stuttgarter Kunstvereins, schrieb „Stammheim“ darauf und stellte einen Ehrenkranz dazu. Die Riesenpistole sei das damalige Standardmodell der Polizei, sagte Metzel 1987. Aber wie sie da hindrapiert liegt, vor einem Foto, das auf das Gefängnis verweist, wo drei RAF-Häftlinge 1977 tot gefunden wurden, denkt man eher an deren mutmaßlichen Suizid: an die Verschwörungstheorien um einen staatlichen Mord. Leicht rostig ist die Pistole – wie auch der durch die Medien forcierte Mythos.

Medienmaterial

Apropos Medien: Die verarbeitet Olaf Metzel gern und viel, zieht Berichte über die Proteste in Griechenland und über Occupy quasi aus dem Papierkorb und macht stählerne, zerknüllt wirkende Objekte daraus, die er wie Fächer an die Wand hängt. Auch diese jüngeren Proteste – schon im Papierkorb der Geschichte, schon vergessen? Falls es so ist, kann daran auch Metzels Serie nichts ändern.

Tatsächlich vergisst man sie, sobald man durch das Drehkreuz hinten in der Halle geht. Es führt in einen Verschlag mit hohen, ramponierten Wellblech-Wänden. So etwa muss es in Guantanamo aussehen, zumindest aber im Flüchtlingsquartier, und richtig: Ein Foto über Asylbewerber-Unterkünfte hat die Arbeit inspiriert. Aber eigentlich denkt man gar nicht so viel, sondern man spürt – weshalb man vorm Reingehen prüft, ob einen das Drehkreuz auch wieder herauslassen wird: Einen Angstmoment lang ist man hereingefallen auf die Suggestion. Und diese sekundenlange Empathie mit den Opfern ist Sinn des Spiels.

Kommentar zur Hafenstraße

Danach wird es ein bisschen hamburgisch: Die Installation „Wurfeisen und Zwille“ entstand 1990/91 als Kommentar zu den Hausbesetzungen in der Hafenstraße. Zu einem friedlichen Schrotthaufen sind sie vereint, und das Element „Gewalt“ entsteht allein durch die Konnotation. Form und Material sind unschuldig. Das Symbol an sich ist es vielleicht auch, aber beim Rausgehen entsteht wieder so ein Reflex: Dann nämlich, wenn man die Hammer-und-Sichel-Scheibe aus der Ex-DDR bemerkt, die über dem Ausgang hängt. Will der Künstler uns sagen, dass Marx recht hatte: Der Kapitalismus frisst seine Kinder? Und ist die Zeit dieser Ideologie nicht längst abgelaufen? Schließlich heißt die Arbeit „Restposten“, und so einer ist nicht recyclebar.

Nein, es ist nichts von allem. Es geht darum, dass man gesellschaftliche Spaltung als inhärentes Element der Menschheitsgeschichte begreift. Der Künstler lamentiert nicht, plädiert nicht, löst nichts. Und bietet als Abstandshalter einzig die künstlerische Reflexion.

Olaf Metzel: „Gegenwartsgesellschaft“: Hamburger Kunstverein, bis 5. 1. 2014

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