RAF-Tonbänder: Die Stimmen des Deutschen Herbstes

Nach mehr als 30 Jahren tauchen Mitschnitte aus den Prozessen gegen die RAF-Gründer Baader und Meinhof auf. Eigentlich sollten sie gelöscht werden.

Zwölf Stunden Stammheim-Mitschnitte aufgetaucht: Gerichtszeichnung mit Jan-Carl Raspe, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof Bild: dpa

Mehr als 30 Jahre lang galten sie als vernichtet: die Tonbandmitschnitte des Stammheim-Verfahrens gegen die Gründer der "Rote Armee Fraktion" (RAF) Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Ulrike Meinhof. Jetzt sind sie bei gemeinsamen Recherchen von Norddeutschem Rundfunk und Spiegel TV in Nebenräumen des Oberlandesgerichts Stuttgart wieder aufgetaucht.

Bei den Aufzeichnungen handelt es sich um historische Dokumente, die zwischen Oktober 1975 und Mai 1976 während der RAF-Prozesse in Stuttgart-Stammheim aufgenommen wurden. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Oberlandesgericht Stuttgart und der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die zunächst auf einer Vernichtung der Tondokumente bestanden hatten, wurden die Bänder schließlich in Kopie über das Staatsarchiv Ludwigsburg an die Dokumentarfilmer herausgegeben. Das berichtet Spiegel Online, das auch Auszüge ins Netz stellte. Insgesamt geht es um 21 Bänder mit etwa 12 Stunden von Mitschnitten aus dem Gerichtssaal, deren eigentlich vorgesehene Löschung vergessen worden war. Zu hören sind die Angeklagten Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe sowie Anwälte, Richter und Staatsanwälte.

Die damaligen RAF-Terroristen geben in den Aufnahmen politische Statements und Rechtfertigungen ab. So etwa Gudrun Ensslin am 4. Mai 1976 im typischen RAF-Duktus: "Wir sind auch verantwortlich für die Angriffe auf das CIA-Hauptquartier und das Hauptquartier des 5. US-Korps in Frankfurt am Main und auf das US-Hauptquartier in Heidelberg, insofern wir in der RAF seit 1970 organisiert waren, in ihr gekämpft haben und am Prozess ihrer Politik und Struktur beteiligt waren." Bei diesen Anschlägen starben vier Menschen, zahlreiche wurden verletzt.

Der Vorsitzende Richter, Theodor Prinzing, hatte in Absprache mit Anklage und Verteidigung die Aufnahmen angeordnet, um den Prozessverlauf dokumentieren zu können.

Eigentlich war vorgesehen, die Aufnahmen nach Fertigstellung des Verhandlungsprotokolls zu löschen. Viele der Bänder wurden auch tatsächlich überspielt, einige jedoch nicht.

Zu hören sind die Aufnahmen auch bei der ARD-Anstalt Südwestrundfunk. Mitarbeiter des Staatsarchivs in Ludwigsburg machten den SWR auf die O-Töne aufmerksam, der Sender erwarb die Senderechte für Material von 15 Minuten Gesamtlänge für das Radio und für das Internet.

Die Urteile im Stammheim-Prozess wurden am 28. April 1977 gesprochen. Das Oberlandesgericht Stuttgart verhängte gegen die Angeklagten lebenslange Freiheitsstrafen.Im selben Jahr eskalierte die Auseinandersetzung zwischen Guerilla und Staat. Bei ihrer so genannten "Offensive 77" ermordeten RAF-Mitglieder am 7. April den Generalbundesanwalt Siegfried Buback in der Karlsruher Innenstadt. Am 30. Juli erschoss die Guerilla den Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, als er sich gegen den Versuch seiner Entführung zur Wehr setzte. Höhepunkt des Deutschen Herbstes war am 5. September die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und die anschließende Kaperung eines Fliegers nach Mallorca durch ein palästinensisches Kommando zur Unterstützung der RAF-Forderungen.

Nachdem das Flugzeug von der Polizeisondereinheit GSG 9 gestürmt und die Insassen befreit worden waren, töteten sich in Stammheim die Gefangenen Baader, Ensslin und Raspe. Der entführte Schleyer wurde am 18. Oktober im elsässischen Mülhausen erschossen aufgefunden.

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