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RAF-ErmittlungenBeckers Notizen sind nicht tabu

Die Polizei darf Tagebuchschriften der Ex-Terroristin auswerten, sagt das Verfassungsgericht. Doch die Entscheidungen sind sehr umstritten.

"Ich habe kein wirkliches Gefühl für Schuld" schrieb Verena Becker in ihre Notizen. Bild: jowblob/photocase

FREIBURG taz | Außer ein paar kryptischen Notizen scheint die Bundesanwaltschaft wenig neue Beweismittel gegen Verena Becker in der Hand zu haben. Dabei stellt sich die Frage, ob solche tagebuchartigen Zettel überhaupt in einem Strafprozess verwendet werden dürfen. Doch bisher war das Bundesverfassungsgericht in derartigen Fällen großzügig gegenüber der Polizei.

Verena Becker sitzt seit rund einer Woche in U-Haft. Die Bundesanwaltschaft sieht dringenden Tatverdacht, dass sie an der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback 1977 beteiligt war. Als Indizien gelten die bereits im Februar festgestellten DNA-Spuren an den Bekennerschreiben, aber auch mehrere Zettel, die erst bei einer Hausdurchsuchung im August beschlagnahmt wurden.

So fragt sich Becker in einer handschriftlichen Notiz, "wie ich für Herrn Buback beten soll", berichtet der Spiegel. Außerdem fände sich auf dem Zettel der Satz: "Ich habe kein wirkliches Gefühl für Schuld." Schließlich habe sie notiert, sie meditiere für einen "Neuanfang". Die Bundesanwaltschaft sieht darin laut Spiegel Schuldeingeständnisse, Becker bestreite dies. Mit "Herr Buback" sei nur der Sohn gemeint, der sie als Täterin verdächtigt.

Aber darf die Polizei solche schriftlichen Selbstgespräche überhaupt lesen und auswerten? Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach postuliert, dass es einen unantastbaren "Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung" gibt. Deshalb hat der Bundesgerichtshof ein Jahr später auch verboten, Selbstgespräche, die mit einer Wanze aufgezeichnet wurden, vor Gericht zu verwerten. Und damals ging es immerhin um Mord.

Anders ist die Rechtslage bisher freilich bei Tagebüchern. Hier hat das Bundesverfassungsgericht in zwei umstrittenen Entscheidungen erlaubt, dass die Polizei Tagebücher verwerten darf. "Enthalten solche Aufzeichnungen etwa Angaben über die Planung bevorstehender oder Berichte über begangene Straftaten, stehen sie also in einem unmittelbaren Bezug zu strafbaren Handlungen, so gehören sie dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung nicht an", erklärten die Verfassungsrichter 1989 und bestätigten dies 2006. Tagebuchartige Aufzeichnungen über Straftaten dürften deshalb nach Abwägung im Einzelfall vor Gericht verwendet werden, so die Verfassungsrichter. Da es bei den Buback-Ermittlungen um Mord geht, dürfte es wohl keine Probleme mit der Nutzung von Beckers Notizen geben - was auch immer sie beweisen sollen.

Becker wird diese Woche ins Frauengefängnis Berlin-Pankow verlegt. Wie der Spiegel berichtet, hatte sie für ihre Kooperation mit dem Verfassungsschutz in den 80er-Jahren weniger als 5.000 Mark erhalten. Davon habe sie einen Sprachkurs bezahlt. Ihr sei es um Hafterleichterungen und eine Haftverkürzung gegangen. Bild hatte behauptet, es seien 100.000 Mark geflossen.

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2 Kommentare

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  • V
    velofisch

    So sieht also der Rechtsstaat aus: Tagebuchähnliche Gedanken über Schuld - womit hier sicherlich nicht die juristische Schuld gemeint war - werden von der Bundesanwaltschaft veröffentlicht. Dagegen bleiben die dubiosen Vorgänge um unterschlagene Aussagen und Deals mit dem Verfassungsschutz auch 30 Jahren noch unter Verschluss. Ein Richter der sich dem Rechtsstaat verpflichtet fühlt, darf darauf kein Urteil stützen.

    Umgekehrt stellt sich die Frage, was den so schwergewichtig ist, dass es noch 30 Jahre später nicht an das Gericht weitergegeben werden darf? Ein einfacher Deal bestehend aus kleinen Gefälligkeiten gegen Information ist dies sicher nicht. Zu befürchten ist eher die Dimension des Lochs von Celle. Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz nicht nur bei der strafrechtlichen Verfolgung des Attentats sondern beim Attentat insgesamt. Hat er von den Plänen gewusst? War er involviert?

  • V
    velofisch

    So sieht also der Rechtsstaat aus: Tagebuchähnliche Gedanken über Schuld - womit hier sicherlich nicht die juristische Schuld gemeint war - werden von der Bundesanwaltschaft veröffentlicht. Dagegen bleiben die dubiosen Vorgänge um unterschlagene Aussagen und Deals mit dem Verfassungsschutz auch 30 Jahren noch unter Verschluss. Ein Richter der sich dem Rechtsstaat verpflichtet fühlt, darf darauf kein Urteil stützen.

    Umgekehrt stellt sich die Frage, was den so schwergewichtig ist, dass es noch 30 Jahre später nicht an das Gericht weitergegeben werden darf? Ein einfacher Deal bestehend aus kleinen Gefälligkeiten gegen Information ist dies sicher nicht. Zu befürchten ist eher die Dimension des Lochs von Celle. Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz nicht nur bei der strafrechtlichen Verfolgung des Attentats sondern beim Attentat insgesamt. Hat er von den Plänen gewusst? War er involviert?