■ Querspalte: Kinkel heißt jetzt Twix
„Raider“ heißt seit geraumer Zeit „Twix“ und Klaus Kinkels „kritischer Dialog“ mit dem Iran jetzt „Politik der aktiven Einwirkung“. Beides hat gemeinsam: Es schmeckt nach mehr.
„Einwirkung“ – na endlich! Nach fast 18 Jahren der Theokratie, etlichen tausend Toten in der Islamischen Republik, dem Mordaufruf gegen Rushdie, einigen hundert von bezahlten Killern um die Ecke gebrachten iranischen Dissidenten im Ausland hat Kinkel erkannt: So geht's nicht! Deutschland, Freund sämtlicher iranischer Monarchen und Diktatoren seit dem 19. Jahrhundert, führender Handelspartner Irans im Westen und mittlerweile von den dort derzeit herrschenden Klerikern als „Brücke zur Europäischen Union“ hofiert, macht Ernst.
Wie dieser Tage Roman Herzog in Peking will jetzt auch Kinkel gegenüber Teheran auftreten: Tacheles reden! Von nun an wird das Bonner Außenamt nicht erst eingreifen, wenn es gilt, geständige Spione mit deutschem Paß für Irans Kriegsgegner Irak herauszuhauen, denen wie einst Herrn Szimkus in Teheran der Galgen droht. Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer wird nicht erst nach Teheran jetten, wenn internationale Anerkennung winkt, weil eine kleine Chance besteht, dort den vor langer Zeit über dem Süden Libanons abgeschossenen israelischen Piloten Ron Arad lebend aus Hisbollah-Haft zu befreien. Nein! „Aktiv“, kündigt der Bundesaußenminister an, will er werden, weil er erkannt hat, daß das bis dato von ihm propagierte Zwiegespräch zur stillen Post mutiert ist, bei der jeder der Beteiligten behaupten kann, er habe irgendwie etwas anderes verstanden.
Klasse, Kinkel! Mischen Sie sich aktiv ein! Sie zögern noch ein wenig vor der eigenen Courage, hängen alten diplomatischen Gepflogenheiten nach? Bitte nicht – sonst heißt der „Außenminister“ demnächst „Bundesminister für Volksbelustigung“, und irgend jemand merkt beim Reinbeißen: Das tragende Element in dem aus Gründen des internationalen Marketings umgetauften Schokoriegel ist immer noch ein Keks. Thomas Dreger
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