■ Querspalte: Laufen Sie, Herr Präsident!
Laufen Sie, werden Sie normal, leben Sie! Laufen belüftet die Lunge, läßt die Immunzellen erstarken, auch jene, die Krebszellen vernichten können. Mehr noch, laufen vermeidet Altersdiabetes und vermehrt das männliche Geschlechtshormon Testosteron.
Schalten Sie um! Wie Joschka. Als er spürte, „daß er mit sich nicht mehr im klaren war“ und nur noch gestrampelt hat in der „Tretmühle des politischen Erfolgs“, schnürte er die Joggingschuhe. Auch Lufthansa-Chef Jürgen Weber tut's. Und Klaus Kinkel. Alles Männer um die 50, alles Männer des Fortschritts. Und nebenbei: Laufen ist gut für die Krankenkasse.
Ob die demnächst noch Ihre Insulinspritzen zahlen wird, ist fraglich. Ebenso steht in den Sternen, ob sie für Ihre Chemotherapie aufkommen wird, wenn der Krebs Sie aufzufressen droht. Krankenkassen werden in Zukunft nämlich nur noch für das medizinisch Notwendigste da sein, nicht mehr für das sozialpolitisch Wünschenswerte, sagt der Bundespräsident. Vorbei die Zeiten, in denen es hieß: Gesundheit für alle, prost auf ein langes Leben! Wir zerstören uns planmäßig, sagt Roman Herzog. Entenbrüstchen an Orangensauce verursacht dicke Nieren, aus denen Jahre später ein Chirug löffelweise das Fett herauspulen muß. Wir wissen: Fett verblödet und macht Alzheimer.
Der Bundespräsident hat gelegentlich den Eindruck, daß wir essen und trinken „in der falschen Gewißheit, daß die medizinische Werkstatt das schon wieder richten wird“. Hat er gesagt, und der versammelte Ärztetag in Eisenach klatschte hingerissen Beifall. Aber der Mann der üppigen Arbeitsessen hat recht! Sportprofessor Michael Braumann aus Hamburg hat hochgerechnet: 30 bis 50 Prozent der Kosten im Gesundheitswesen werden durch Bewegungsmangel verursacht: Herz- und Kreislaufleiden ließen sich vermeiden. „Bewegung wird die Herausforderung des nächsten Jahrtausends sein.“
Also, Sie übergewichtiger Bundespräsident: Rein in den auberginefarbenen Jogginganzug. Laufen Sie! Annette Rogalla
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